RICHARD BOORBERG VERLAG

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19.04.2022

Vorschriften des Bayerischen Lobbyregistergesetzes gegenüber sog. Beamtengewerkschaften

Bayerisches Lobbyregistergesetz bleibt unverändert in Kraft. 

Das am 01.01.2022 in Kraft getretene Bayerische Lobbyregistergesetz normiert für Interessenvertreter eine Registrierungspflicht, wenn diese Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung betreiben wollen.

Das am 01.01.2022 in Kraft getretene Bayerische Lobbyregistergesetz normiert für Interessenvertreter eine Registrierungspflicht, wenn diese Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung betreiben wollen; der Registerinhalt wird auf der Internetseite des Landtags veröffentlicht (Art. 1). Von der Registerpflicht bestehen Ausnahmen, insbesondere unterliegt die Interessenvertretung im Rahmen der Tätigkeit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, soweit sie ihre „Funktion als Tarifpartner“ wahrnehmen (Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b), und im Rahmen der Tätigkeit der Spitzenorganisationen nach Art. 16 des BayBG (Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c) keiner Registrierungspflicht. Zu den einzutragenden Daten gehören u. a. die Mitgliederzahl (Art. 3 Nr. 5), die Anzahl der Beschäftigten, die mit der Interessenvertretung unmittelbar beauftragt sind (Art. 3 Nr. 8), sowie jährliche finanzielle Aufwendungen mit Personalkosten im Bereich der Interessenvertretung (Art. 3 Nr. 9) und Jahresabschlüsse oder Rechenschaftsberichte von juristischen Personen, falls keine handelsrechtlichen Offenlegungspflichten bestehen (Art. 3 Nr. 12). Bei glaubhafter Darlegung eines schutzwürdigen überwiegenden Interesses kann im Einzelfall die Angabe der registerpflichtigen Daten zu den finanziellen Verhältnissen (Art. 3 Nrn. 9 bis 12) verweigert werden (Art. 3 Abs. 3). Die registrierten Vereinigungen sind an einen vom Landtag und der Staatsregierung beschlossenen Verhaltenskodex zu den Grundsätzen integrer Interessenvertretung gebunden (Art. 5). Für Verstöße sind Sanktionen einschließlich einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorgesehen (Art. 6).

Art. 1 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b sowie Art. 3, 5 und 6 BayLobbyRG ist nicht deshalb teilweise verfassungswidrig sind, da sie eine Registerpflicht für Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen auch dann vorsehen, wenn sie – außerhalb der Wahrnehmung der „Funktion als Tarifpartner“ – Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Entscheidung vom 17.01.2022 (Az. 1 BvR 2727/21) eine von den Antragstellern im Dezember 2021 dort eingereichte Verfassungsbeschwerde in gleicher Sache (nebst einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes) nicht zur Entscheidung angenommen und die Antragsteller wegen des Grundsatzes der Subsidiarität des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes auf den insoweit vorrangigen fachgerichtlichen Rechtsschutz verwiesen.

Bei überschlägiger Prüfung kann weder von offensichtlichen Erfolgsaussichten noch von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Popularklage ausgegangen werden. Es ist als offen zu beurteilen, ob die angegriffenen Regelungen die Grenzen überschreiten, die Art. 170 Abs. 1 BV (Koalitionsfreiheit) der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers setzt. Insbesondere ist die Reichweite der im Gesetz geregelten Ausnahmeregelungen (Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b und c BayLobbyRG) unklar. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Interessenvertretung im Rahmen der Einflussnahme auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände von der Registerpflicht ausgenommen werden sollte oder ob die bewusst eng gefassten Ausnahmetatbestände als mit Art. 170 BV vereinbar angesehen wurden. Gründe für eine Beschränkung der Ausnahme in Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c BayLobbyRG auf die Spitzenorganisationen der Beamtengewerkschaften liegen nicht auf der Hand. Es gehört zu einem demokratischen Willensbildungsprozess, dass jede Interessenvertretung ihre spezifischen Kenntnisse, Erfahrungen und rechtspolitischen Vorstellungen einbringen kann.

Im Rahmen der vorzunehmenden Folgenabwägung ergibt sich, dass die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe angesichts der strengen Maßstäbe nicht so gewichtig sind, dass sie im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen würden. Insbesondere erscheint es zumutbar, im Hinblick auf verschiedene Unklarheiten der gesetzlichen Regelung, auf die auch das Bundesverfassungsgericht im B.v. 17.01.2022 hingewiesen hat, vor Inanspruchnahme verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz zu suchen.

 

Quelle:
BayVerfGH, E.v. 06.04.2022, Vf. 2-VII-22, PM v. 05.04.2022