RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.01.2023

Diskriminierungsschutz gemäß BayPVG

Antragsteller war zum Zeitpunkt der Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses kein Beschäftigter i.S.d. Art. 4 BayPVG

Bei gekündigten Arbeitnehmern kommt es für die Beschäftigteneigenschaft und die aktive Wahlberechtigung i.S.v. Art. 25 Abs. 1 BayPVG maßgeblich darauf an, ob sie in Erfüllung eines bestehenden Weiterbeschäftigungsanspruchs am Wahltag tatsächlich weiterbeschäftigt wurden (vgl. BAG, U.v. 15.1.1991 - 1 AZR 105/90 - BAGE 67, 35 Rn. 27 zum BetrVG bzw. BPersVG). Die aktive Wahlberechtigung i.S.v. Art. 25 Abs. 1 BayPVG muss im Zeitpunkt der Wahl feststehen, weil die Wahlbeteiligung nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer nicht mehr korrigiert werden kann. 

Gründe

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die verwaltungsgerichtliche Entscheidung, die am 22. Juni 2021 durchgeführte Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses ... für ungültig zu erklären.

Die Antragsteller sind Beschäftigte des Bezirkskrankenhauses ..., dessen Leiter der Beteiligte zu 1 ist. Dem Antragsteller zu 1 wurde am 25. Mai 2021 außerordentlich gekündigt. Nach dieser außerordentlichen Kündigung wurde der Antragsteller zu 1 nicht weiterbeschäftigt. Das Arbeitsgericht Bayreuth stellte durch Endurteil vom 27. Januar 2022 insbesondere fest (Tenor Nr. 3), dass das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1 durch die Kündigung vom 25. Mai 2021 nicht aufgelöst worden ist.

Ein zunächst am 23. April 2021 von einer Gewerkschaft beim Wahlvorstand für die Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses eingereichter Wahlvorschlag benannte nur den Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 als Bewerber für die Gruppe der Arbeitnehmer. Nach Rücknahme dieses ersten Wahlvorschlags am 7. Mai 2021 reichte die Gewerkschaft einen zweiten Wahlvorschlag beim Wahlvorstand ein, in dem nunmehr alle drei Antragsteller für dieselbe Personalratswahl als Bewerber aufgeführt waren.

Da der Wahlvorstand den zweiten gewerkschaftlichen Wahlvorschlag vom 7. Mai 2021 nicht zuließ, machten die Antragsteller zu 1 und 2 am 14. Juni 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach ein Beschlussverfahren anhängig. Nach deren Rücknahme von zwei Feststellungsanträgen, die dem ursprünglichen Ziel dienten, auf Basis des Wahlvorschlags vom 7. Mai 2021 zu Dritt als Kandidaten zur Personalratswahl antreten zu können, begehrten die Antragsteller unter dem 6. Juli 2021 die Feststellung eines Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit und das Wahlverfahren (wegen der Zurückweisung des Wahlvorschlags vom 7.5.2021 durch den Wahlvorstand), die Ungültigerklärung der Personalratswahl am 22. Juni 2021 sowie die Feststellung von deren Nichtigkeit.

Durch Beschluss vom 27. Mai 2022 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Antragsteller zu 1 und 2 ihre Anträge aus dem Schriftsatz vom 14. Juni 2021, die dem ursprünglichen Ziel dienten, auf Basis des Wahlvorschlags vom 7. Mai 2021 zu Dritt als Kandidaten zur Personalratswahl antreten zu können, zurückgenommen hatten (Nr. 1), erklärte die am 22. Juni 2021 durchgeführte Wahl des örtlichen Personalrats für ungültig (Nr. 2 Satz 1) und lehnte den Antrag im Übrigen ab (Nr. 2 Satz 2).

Gegen Nr. 2 Satz 1 des Tenors dieses verwaltungsgerichtlichen Beschlusses ließen die Beteiligten zu 1 und 2 Beschwerde einlegen, wobei zwischen Antragstellern und Beteiligten zunächst umstritten war, ob die Wahlvorschläge von einer "Gewerkschaft" i.S.v. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 Satz 1 WO-BayPVG eingereicht worden waren.

Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Mai 2022 aufzuheben, soweit die Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses ... vom 22. Juni 2021 für ungültig erklärt wird, und den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung wird zuletzt im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller zu 1 habe zum Zeitpunkt der Wahl am 22. Juni 2021 die aktive Wahlberechtigung und damit auch die Wahlanfechtungsberechtigung gefehlt, weshalb das Quorum nach Art. 25 BayPVG nicht erfüllt gewesen sei. Der Antragsteller zu 1 sei mit Wirkung zum 25. Mai 2021 fristlos gekündigt und nicht weiterbeschäftigt worden.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschluss. Dem Vortrag der Beteiligten zum Fehlen der Wahl- und Anfechtungsberechtigung des Antragstellers zu 1 zum Wahlzeitpunkt am 22. Juni 2021 treten die Antragsteller nicht entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

 

II.

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 haben Erfolg. Der verwaltungsgerichtliche Beschluss ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller abzulehnen, weil das Verwaltungsgericht deren vorliegend allein beschwerdegegenständlichen Antrag, die Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses ... vom 22. Juni 2021 für ungültig erklären, zu Unrecht stattgegeben hat. Dieser Wahlanfechtungsantrag ist unzulässig.

1. Der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller ist unzulässig, weil er nicht von "drei Wahlberechtigten" i.S.d. Art. 25 Abs. 1 BayPVG beim Verwaltungsgericht gestellt worden ist, weshalb es an der erforderlichen Anfechtungsberechtigung fehlt.

1.1. Nach Art. 25 Abs. 1 BayPVG können abgesehen von weiteren hierfür in dieser Vorschrift normierten, vorliegend aber nicht entscheidungserheblichen Voraussetzungen, mindestens drei Wahlberechtigte die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten.

Diese Anfechtungsberechtigung bzw. aktive Wahlberechtigung muss zum Zeitpunkt der Wahl gegeben sein (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.1983 - 6 P 17.81 - BVerwGE 67, 145/148). Sie setzt nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayPVG die Beschäftigteneigenschaft i.S.d. Art. 4 BayPVG voraus.

Bei gekündigten Arbeitnehmern kommt es für die Beschäftigteneigenschaft und die aktive Wahlberechtigung i.S.v. Art. 25 Abs. 1 BayPVG maßgeblich darauf an, ob sie in Erfüllung eines bestehenden Weiterbeschäftigungsanspruchs am Wahltag tatsächlich weiterbeschäftigt wurden (vgl. BAG, U.v. 15.1.1991 - 1 AZR 105/90 - BAGE 67, 35 Rn. 27 zum BetrVG bzw. BPersVG). Die aktive Wahlberechtigung i.S.v. Art. 25 Abs. 1 BayPVG muss im Zeitpunkt der Wahl feststehen, weil die Wahlbeteiligung nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer nicht mehr korrigiert werden kann. Auch kann die Stimmabgabe eines gekündigten Arbeitnehmers nicht nachgeholt werden, sobald rechtskräftig die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden ist (vgl. BAG, B.v. 10.11.2004 - 7 ABR 12/04 - BAGE 112, 305 Rn. 18).

Dagegen kann die Wählbarkeit eines gekündigten Arbeitnehmers in der Schwebe bleiben, weil der Ungewissheit über den Ausgang seines Kündigungsschutzverfahrens dadurch Rechnung getragen wird, dass dieser im Falle seiner Wahl zur Personalvertretung bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Kündigungsschutzverfahrens an der Ausübung seines Amts verhindert ist und in diesem Fall das Ersatzmitglied nach Art. 31 Abs. 1 Satz 2 BayPVG zeitweilig in das Amt eintritt (vgl. BAG, B.v. 10.11.2004 a.a.O.).

1.2. Davon ausgehend war der Antragsteller zu 1 am 22. Juni 2021, dem Zeitpunkt der Wahl des örtlichen Personalrats des Bezirkskrankenhauses, kein Beschäftigter i.S.d. Art. 4 BayPVG und es fehlte ihm daher die aktive Wahlberechtigung zu diesem maßgeblichen Wahlzeitpunkt. Denn der Antragsteller zu 1 wurde unstreitig nicht tatsächlich weiterbeschäftigt, nachdem ihm am 25. Mai 2021 außerordentlich gekündigt worden war. Daran ändert es nichts, dass die gegen diese außerordentliche Kündigung erhobene Klage des Antragstellers zu 1 im Gefolge vollumfänglich Erfolg hatte; denn entscheidend ist, dass keine Weiterbeschäftigung erstritten war. Somit ist der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller unzulässig, weil er nicht von "drei Wahlberechtigten" i.S.d. Art. 25 Abs. 1 BayPVG beim Verwaltungsgericht gestellt worden ist und es somit an der erforderlichen Anfechtungsberechtigung fehlt.

Nach all dem war der Frage, ob es sich bei der die Wahlvorschläge einreichenden Gewerkschaft um eine solche im spezifisch personalvertretungsrechtlichen Sinn (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2006 - 6 P 17.05 - NZA 2006, 1371) des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 Satz 1 WO-BayPVG handelt, nicht weiter nachzugehen, weil es darauf aus den besagten (1.1., 1.2.) rechtlichen Gründen nicht mehr ankommt. Soweit der Fachsenat zunächst - vor der Klärung der Unzulässigkeit des Antrags - den Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft als Zeugen hören wollte, um die Gewerkschaftseigenschaft im personalvertretungsrechtlichen Sinn zu klären, kommt es darauf ebenfalls aus den besagten Gründen (1.1., 1.2.) nicht mehr an, weshalb der Zeuge abgeladen wurde. Klarzustellen ist dabei, dass die Annahme des Hauptvorstands der Gewerkschaft im Anschreiben an den Senat vom 10. November 2022, die Gewerkschaft habe es in der Hand, den zunächst vom Fachsenat als Zeugen geladenen Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft von seiner Schweigepflicht nicht zu entbinden, und könne ihn anweisen, dem Fachsenat keine Antworten auf dessen Fragen zu geben, im Gesetz keine Stütze findet. Das Erfordernis einer Schweigepflichtentbindung, wie sie § 376 ZPO (i.V.m. § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 525 Satz 1 ZPO) für Fälle der "Amtsverschwiegenheit" von Richtern, Beamten und anderen Personen des öffentlichen Dienstes im Hinblick auf dienstliche Umstände vorschreibt, findet sich für Gewerkschaftsmitglieder nicht. Gewerkschaftsmitglieder sind wie jeder andere Zeuge verpflichtet, einer gerichtlichen Zeugenladung Folge zu leisten und können keine spezifisch gewerkschaftlichen Zeugnisverweigerungsrechte - über die im Gesetz sonst vorgesehenen (vgl. etwa §§ 383 ff. ZPO) hinaus - für sich in Anspruch nehmen.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i.V.m. § 2 Abs. 2 GKG).

Diese Entscheidung ist endgültig (Art. 82 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).

Quelle:
BayVGH, E.v. 15.11.2022 - 17 P 22.1570