Sachverhalt
Die Klägerin bot ihren Arbeitnehmern ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil an. Die sog. Sensibilisierungswoche umfasste u.a. Veranstaltungen, Kurse und Workshops betreffend Ernährung und Bewegung, Körperwahrnehmung und Eigendiagnostik, (Herz-Kreislauf-)Training und Belastung, Achtsamkeit, Eigenverantwortung und Nachhaltigkeit sowie ein Koordinationstraining für den Alltag. Die Sensibilisierungswoche sollte ein unverzichtbarer strategischer Grundpfeiler der Personal-, Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung sein. Es gehe darum, Führungsstil, Mitbestimmung, Umgang und Kommunikation im Hinblick auf gesundheitliche Auswirkungen zu überprüfen. Das Angebot richtete sich an sämtliche Mitarbeiter. Eine Pflicht zur Teilnahme bestand grundsätzlich nicht. Die Kosten für die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche wurden von der Klägerin übernommen und betrugen ca. 1.300 Euro pro Mitarbeiter. Die Fahrtkosten hatten die teilnehmenden Arbeitnehmer selbst zu tragen. Sie hatten für die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche zudem Zeitguthaben oder Urlaubstage aufzuwenden. Das FA nahm bei Teilnahme an der Sensibilisierungswoche Sachbezüge an, die lediglich in dem gemäß § 3 Nr. 34 EStG beschriebenen Umfang steuerfrei zu belassen seien. Das FG wies die gegen den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid erhobene Klage ab.
Entscheidung des BFH
Bei der Zuwendung der Sensibilisierungswoche handelt es sich um Arbeitslohn. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen.
Im Streitfall handelte es sich bei der Sensibilisierungswoche um eine gesundheitspräventive Maßnahme des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer, die keinen Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufwies. Die Gesundheitsvorsorge bildete einen Hauptgegenstand der Sensibilisierungswoche. Die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche war danach ein Vorteil, der in den Bereich der Lebensführung fiel. Die Zuwendung der Vorteile war durch das Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne Gegenleistung des Arbeitgebers für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft, denn sie stand im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis und stellte für die teilnehmenden Arbeitnehmer eine Frucht ihrer Arbeitsleistung dar. Gegen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse spricht, dass die Teilnahme nicht als Arbeitszeit zählte und die Arbeitnehmer ihre Fahrtkosten selbst tragen mussten. Eine gesunde, leistungsbereite und leistungsfähige Arbeitnehmerschaft liegt im Übrigen stets im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers. Daraus folgt aber nicht, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Gesunderhaltung seiner Arbeitnehmer es von vornherein ausschließt, eine Zuwendung an die Arbeitnehmer zur Gesundheitsförderung als Arbeitslohn zu qualifizieren.
Praxishinweis
Da der Bereich der Gesundheitsvorsorge sehr eng mit der privaten Lebensführung verknüpft ist, werden Fälle, in denen bei Zuwendung von Gesundheitsvorsorgemaßnahmen durch den Arbeitgeber kein Arbeitslohn anzusetzen ist, eher selten sein. Hinweise auf einen möglichen Ausnahmefall könnten sich im Umkehrschluss aus den für das Vorliegen von Arbeitslohn im Streitfall herangezogenen Kriterien allgemeine/spezifische Gesundheitsvorsorge, Anrechnung auf die Arbeitszeit, Kostentragung (Fahrtkosten), ergeben.