Die tarifbegünstigte Besteuerung eines durch eine echte Realteilung einer Sozietät ausgelösten Aufgabegewinns gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit aufgibt. Hieran fehlt es, wenn er den ihm im Rahmen der Realteilung zugewiesenen Mandantenstamm dergestalt verwertet, dass dieser geplant auf eine GbR, an der der Steuerpflichtige beteiligt ist, übergeht und er in einem zweiten Schritt gegen Abfindung aus dieser GbR ausscheidet. Dass der Realteiler im Ergebnis die freiberufliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis zeitnah einstellt, genügt in diesem Fall nicht für die Gewährung der Tarifbegünstigung (Fortentwicklung des Senatsurteils vom 21.8.2018, VIII R 2/15, BStBl II 2019 S. 64, BFHE 262 S. 380).
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter einer Rechtsanwaltssozietät, die in mehreren Großstädten Standorte unterhalten hatte. Die Sozietät wurde im Jahr 2001 durch Realteilung aufgelöst, was zu einer Betriebsaufgabe führte. Ihr Vermögen wurde auf Nachfolgegesellschaften, die die Partner der einzelnen Standorte gegründet hatten, übertragen. Auch der Kläger wurde zunächst Gesellschafter einer solchen GbR, schied jedoch unmittelbar nach deren Gründung gegen Zahlung einer Abfindung aus dieser Gesellschaft aus. Er war der Meinung, der im Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät entstandene anteilige Aufgabegewinn sei tarifbegünstigt zu besteuern, da er wirtschaftlich betrachtet aus der Sozietät ausgeschieden sei. Daneben habe er auf Ebene der Nachfolgegesellschaft einen Veräußerungsverlust erlitten.
Entscheidung des BFH
Gegenstand der Klage und des Revisionsverfahrens war die Feststellung der Tarifbegünstigung des vom Kläger im Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät erzielten Gewinnes. Der VIII. Senat des BFH gewährte dem Kläger diese für den anteiligen Aufgabegewinn aus der Sozietät nicht. Die Tarifbegünstigung ist zwar weder gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG noch gemäß § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG ausgeschlossen, da keine Veräußerung einer betrieblichen Sachgesamtheit und keine Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Rahmen der Betriebsaufgabe vorlagen. Sie scheitert jedoch daran, dass der Kläger die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen seiner freiberuflichen Tätigkeit nicht mit der Realteilung der Sozietät, sondern erst mit seinem Ausscheiden aus der GbR endgültig übertragen hat. Damit waren die Voraussetzungen von § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht erfüllt, unabhängig davon, ob eine zusammengeballte Auflösung der stillen Reserven vorlag.
Praxishinweis
Der VIII. Senat des BFH hat entschieden, dass die tarifbegünstigte Besteuerung eines durch die echte Realteilung einer Sozietät ausgelösten Aufgabegewinns gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG die endgültige Aufgabe der wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Sozietät, insbesondere auch des Praxiswerts, voraussetzt. Hieran fehlte es im Streitfall, in dem der Kläger den ihm im Rahmen der Realteilung zugewiesenen und zum gemeinen Wert entnommenen Mandantenstamm dadurch verwertete, dass er diesen in eine Nachfolgegesellschaft einlegte und anschließend aus dieser gegen eine Abfindung ausschied. Dass der Realteiler selbst seine freiberufliche Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis zumindest für eine gewisse Zeit tatsächlich nicht mehr auf „eigene Rechnung“ ausübte, ändert daran nichts. Der BFH sah in Realteilung der Sozietät und Ausscheiden aus der GbR auch keinen einheitlichen (wirtschaftlichen) Vorgang.