RICHARD BOORBERG VERLAG

×

05.05.2020

Einkommensteuer

Vertrauensschutz bei der Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen

EStG § 17

Die bis zum Senatsurteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15, BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war (Bestätigung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

Die Klägerin war Alleingesellschafterin einer GmbH, der sie 2008 ein Darlehen gewährt hatte. Am 15.8.2014 veräußerte sie ihre Beteiligung, ein Kaufpreis wurde nicht vereinbart. Der am 6.11.2014 gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH wurde am 17.4.2015 mangels Masse abgelehnt. Das Finanzamt ließ einen Abzug des ausgefallenen Gesellschafterdarlehens nicht zu. Es handele sich um ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen, das mit 0 EUR anzusetzen sei. Die Klage, mit der sich die Klägerin auf die Krisenbestimmtheit des Gesellschafterdarlehens bzw. die Werthaltigkeit der Darlehensforderung bei Eintritt der Krise berief, wies das Finanzgericht ab, da verlorene Gesellschafterdarlehen im Streitjahr 2014 nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten angesehen werden könnten, weil die tradierten Rechtsgrundsätze zum Ausfall von Gesellschafterdarlehen nicht mehr anzuwenden seien, und zwar – entgegen dem BFH – auch nicht übergangsweise. Es bedürfe daher keiner Aufklärung, ob das Darlehen von vornherein krisenbestimmt gewesen sei, wann die Krise eingetreten sei und welchen Teilwert die Darlehensforderung bei Eintritt der Krise gehabt habe. Zur Begründung verwies das Finanzgericht auf sein Urteil vom 18.4.2018 (3 K 3138/15, EFG 2018 S. 1366).

Entscheidung des BFH

Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht. Zu Unrecht hat das Finanzgericht angenommen, dass die bis zum Senatsurteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427, anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen auch dann nicht weiter anzuwenden sind, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war. Allerdings reichen die Feststellungen des Finanzgerichts nicht aus, um beurteilen zu können, ob im Streitfall nach Maßgabe der zuvor genannten Grundsätze von nachträglichen Anschaffungskosten der Klägerin auszugehen ist. Für die Höhe der (nachträglichen) Anschaffungskosten kommt es im Streitfall auf den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff an. Denn die streitgegenständlichen Darlehen sind bis zum Tag der Veröffentlichung des Senatsurteils in BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427, am 27.9.2017 geleistet worden bzw. (ggf.) eigenkapitalersetzend geworden. Die Kläger können daher Vertrauensschutz für sich beanspruchen (vgl. Senatsurteil vom 11.7.2017, BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427, Rz. 40 ff.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat – wie zuletzt mit Urteil vom 2.7.2019 (IX R 13/18, BStBl II 2020 S. 89, BFHE 265 S. 333) entschieden – fest. Vor diesem Hintergrund kann im Streitfall nicht offenbleiben, ob die gewährten Gesellschafterdarlehen eigenkapitalersetzenden Charakter hatten.

Praxishinweis

Im Verfahren IX R 36/15 (Urteil vom 11.7.2017, BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427) hat der IX. Senat des BFH seine auf § 32a GmbHG vor dessen Streichung durch das MoMiG fußende Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen von § 17 EStG als für einen Übergangszeitraum auch unter Geltung des neuen Rechts anwendbar erklärt, im Übrigen aufgegeben. Derzeit nicht höchstrichterlich geklärt ist die Frage, wie die Vertrauensschutzregelung des IX. Senats zu handhaben ist, wenn sich ggf. über § 20 EStG für den Steuerpflichtigen günstigere Rechtsfolgen ergäben als über § 17 EStG.

Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 10.12.2019, IX R 1/19, BFH/NV 2020 S. 504