Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.
Aufwendungen des Gesellschafters aus einer Einzahlung in die Kapitalrücklage zur Vermeidung einer Bürgschaftsinanspruchnahme führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.
Sachverhalt
Der Kläger war zusammen mit anderen Familienmitgliedern an einer GmbH beteiligt. Er hatte eine Bürgschaft für Bankverbindlichkeiten der GmbH übernommen. Wegen einer drohenden Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, der bevorstehenden Vollstreckung in ein für die GmbH als Sicherheit dienendes privates Grundstück sowie der drohenden Liquidation der Gesellschaft leistete er wie andere Familienmitglieder eine Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH. Ein Teil der Einzahlung stammte aus der mit der Bank abgestimmten Veräußerung des besicherten Grundstücks. Die GmbH tilgte, wie geplant, mit dem Geld ihre Bankverbindlichkeiten. Damit wurden auch die Bürgen frei von ihrer Haftung. Die Gesellschafter veräußerten im Anschluss ihre Anteile zu Null Euro. Für das Streitjahr 2010 machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung seines Anteils an der GmbH i. S. v. § 17 EStG geltend. Das FA berücksichtigte diesen Verlust lediglich in Höhe der vom Kläger übernommenen Stammeinlage, nicht aber in Höhe der Kapitalzuführung.
Entscheidung des BFH
Die Revision hatte Erfolg. Es lag eine Veräußerung zu Null Euro i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vor. Veräußerungsgewinn ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten i. S. v. § 255 Abs. 1 Satz 1 des HGB übersteigt. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB). Diesen können grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen, so insbesondere Nachschüsse i. S. der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, Barzuschüsse oder der Verzicht auf eine werthaltige Forderung. Die freiwillige und ohne Gewährung von Vorzügen seitens der Kapitalgesellschaft erbrachte Einzahlung eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage ist handelsbilanzrechtlich als Zuzahlung i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu qualifizieren, steuerrechtlich als Einlage; hierdurch erhöhen sich auch die Anschaffungskosten des Gesellschafters für seine Beteiligung. Dabei ist nicht von Bedeutung, wie die Kapitalgesellschaft den vom Gesellschafter eingezahlten Betrag verwendet. Danach war die vom Kläger geleistete Zuführung in die Kapitalrücklage der GmbH bei der Berechnung des Veräußerungsverlustes als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Als unerheblich erachtete es der BFH, mit welchem Wert ein Rückgriffsanspruch des Klägers gegen die GmbH zu bewerten gewesen wäre, wenn die Gläubiger in die von ihm gegebenen Sicherheiten vollstreckt oder ihn im Rahmen seiner Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen hätten.
Praxishinweis
Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führten nach bisheriger Rechtsprechung des BFH neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren. Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung (eingehend hierzu BFH-Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, BFH/NV 2017 S. 1501, BFHE 258 S. 427 m. w. N.) darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung i. S. des § 32a Abs. 1 und 3 GmbHG a. F. vorgenommen hatte (sog. funktionelles Eigenkapital). Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (Fremdkapital). Mit Blick auf die Aufhebung des in § 32a GmbHG a. F. kodifizierten Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG und der Einführung eines gesetzlichen Nachrangs sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall (vgl. Art. 9 MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) hat der BFH neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG entwickelt.
Unter Geltung des MoMiG ist auch im Rahmen des § 17 EStG wieder der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff maßgeblich. Fällt der Gesellschafter mit einer zugunsten seiner Kapitalgesellschaft übernommenen Finanzierungshilfe, insbesondere einer Darlehensforderung, aus und liegen keine nachträglichen Anschaffungskosten vor, ist der Forderungsausfall aber nach der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerbar (Urteil vom 24.10. 2017, VIII R 13/15, BFH/NV 2018 S. 280).