RICHARD BOORBERG VERLAG

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23.04.2020

Einkommensteuer

Steuerliche Berücksichtigung des Forderungsverzichts eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach Einführung der Abgeltungsteuer

EStG §§ 20, 32d

1. Ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf einen Teil der ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehenden Darlehensforderung führt zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG, soweit der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet (Anschluss an Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9.6.1997, GrS 1/94, BStBl II 1998 S. 307, BFHE 183 S. 187). Dies setzt voraus, dass der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt kein Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 EStG an.

2. Der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft steht einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall. Steuerliche Auswirkungen hat der Forderungsverzicht jedoch nur, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat.

Sachverhalt

Der Kläger war zu mehr als 10 % an einer GmbH beteiligt. Er hatte Forderungen gegen die GmbH im Nennwert von 801.768,78 EUR für einen Kaufpreis von 364.154,60 EUR erworben. Der Kläger verzichtete gegenüber der GmbH auf einen Teilbetrag seiner Darlehensforderung i.H.v. 275.000 EUR. Im Hinblick auf einen teilentgeltlichen Erwerb zu 43,5 % ging er davon aus, dass er einen Veräußerungsverlust i.H.v. 119.625 EUR erlitten habe. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht nicht.

Entscheidung des BFH

Der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die Kapitalgesellschaft steht einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall. Es liegt insoweit auch keine Einlage vor. Hier verweist der BFH darauf, dass ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf einen Teil der ihm gegen die Kapitalgesellschaft zustehenden Darlehensforderung nur insoweit zu einer Einlage i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG führt, als der Gesellschafter auf den werthaltigen Teil der Forderung verzichtet. Diese Einlage setzt voraus, dass der Verzichtsbetrag den Nennwert des nicht werthaltigen Teils der Forderung übersteigt. Stehen dem durch die Einlage bewirkten Zufluss Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüber, fällt kein Gewinn i.S. des § 20 Abs. 4 EStG an. Steuerliche Auswirkungen hat der Forderungsverzicht, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat.

Aus diesem Grund erwies sich die Klageabweisung durch das Finanzgericht im Ergebnis als zutreffend. Denn steuerliche Auswirkungen hätte der Forderungsverzicht nur gehabt, wenn der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hätte. Hieran fehlte es im Streitfall. Der Kläger hatte keine Anschaffungskosten in Bezug auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung getragen, auf den er verzichtet hat. Er hatte die Forderung im Nennwert von 801.768 EUR zum Kaufpreis von 364.154 EUR erworben. Der Kaufpreis wurde bei wirtschaftlicher Betrachtung für den werthaltigen Teil der Forderung aufgewandt. Der Verzicht in Höhe von 275.000 EUR bezog sich somit auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung, für den dem Kläger keine Anschaffungskosten entstanden waren. Seine Leistungsfähigkeit wurde durch den Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung folglich nicht gemindert.

Praxishinweis

Mit dieser Entscheidung setzt der VIII. Senat des BFH seine Rechtsprechung fort, nach der seit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich sämtliche Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zu erfassen sind und dies gleichermaßen für Gewinne und Verluste gilt (vgl. Senatsurteil vom 24.10 2017, VIII R 13/ 15, BFH/NV 2018 S. 280, BFHE 259 S. 535 zum insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung).

Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 6.8.2019, VIII R 18/16, DStR 2019 S. 2411