1. Ein unentgeltlicher Erwerb i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG liegt vor, wenn im Rahmen der Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Übergeber ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird und die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherte Darlehen des Rechtsvorgängers nicht übernommen werden.
2. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht vom Übergeber übernommen hat.
3. Die bloße Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung privater Verbindlichkeiten nach der Veräußerung führt nicht zur Entstehung von Veräußerungskosten.
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb 2004 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter unter Übernahme eingetragener Grundschulden über insgesamt 400.000 DM ein Grundstück. Nicht übernommen wurden von der Klägerin die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen. Zugleich bestellte die Klägerin ihrer Mutter ein lebenslanges dingliches Wohnrecht. Die Mutter hatte das Grundstück 1998 für 285.000 DM erworben. Nach dem Grundstückserwerb tätigte die Mutter Instandsetzungs- und Ausbaukosten von 70.000 Euro. Das Hauptgebäude nutzte die Mutter der Klägerin bis zur Veräußerung 2007 unentgeltlich zu eigenen Wohnzwecken. Das Nebengebäude wurde ab dessen Fertigstellung in den Jahren 2002 und 2003 bis zur Veräußerung von der Klägerin hauptsächlich an Wochenenden zu privaten Wohnzwecken genutzt. 2007 veräußerte die Klägerin das gesamte Grundstück für 530.000 Euro lastenfrei. Vom Kaufpreis wurden die durch die Grundschulden besicherten Darlehen in Höhe von 265.748 Euro bedient. Mit der Veräußerung bezweckten die Klägerin und ihre Mutter, der drohenden Zwangsvollstreckung seitens der Grundschuldgläubiger zu entgehen.
Die Klägerin wandte sich gegen eine Erfassung ihres Veräußerungsgewinns gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 EStG und begehrte hilfsweise die Berücksichtigung des an die darlehensgebenden Gläubiger weitergeleiteten Betrags i.H.v. 265.748 Euro als nachträgliche Anschaffungskosten, beides abgesehen von dem von ihr selbst bewohnten Nebengebäude erfolglos.
Entscheidung des BFH
Das Finanzgericht ist zutreffend von einem unentgeltlichen Erwerb der Klägerin ausgegangen. Die Klägerin erbrachte keine Gegenleistung, sondern erwarb nur das um den Wert der Belastungen geminderte Grundstück. Die entsprechenden schuldrechtlichenVerbindlichkeiten hat sie nicht übernommen. Auch ist der Wert des zurückbehaltenen Wohnrechts nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen. Das Finanzgericht ist auch zu Recht von einer Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgegangen. Die unentgeltliche Übertragung an die Klägerin erfolgte 2004 mit der Folge, dass die Klägerin in die noch laufende Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eintrat. Eine den Steuertatbestand ausschließende Selbstnutzung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hat das Finanzgericht zu Recht nur hinsichtlich des Nebengebäudes angenommen. Das Finanzgericht hat schließlich zutreffend im Rahmen der Ermittlung des Gewinns aus dem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG die von der Klägerin aus dem Kaufpreis beglichenen Darlehensverbindlichkeiten nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Immobilie eingeordnet. Nachträgliche Anschaffungskosten müssen in einem ursächlichen Veranlassungszusammenhang mit der Anschaffung stehen, also durch das Anschaffungsgeschäft veranlasst sein. Sie entstehen nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat.
Praxishinweis
Die Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnrechts (§ 1093 BGB) führt zivilrechtlich und steuerlich zu einem unentgeltlichen Erwerb. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen.
Der in § 23 EStG verwendete Begriff „Anschaffungskosten“ ist i.S. des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 HGB auszulegen. Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können.