RICHARD BOORBERG VERLAG

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28.12.2020

Gewerbesteuer

Mehrere Betätigungen einer Person

BFH

Kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder um mehrere selbständige Betriebe handeln, wenn eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten ausübt?

Unternehmer U betrieb seit dem Jahr 2009 sowohl ein Eiscafé als auch einen Grillimbiss. Er übte beide Tätigkeiten im selben Gebäude aus. Die jeweiligen Geschäftsräume waren nicht miteinander verbunden; für das Eiscafé und den Grillimbiss wurde dieselbe Kundentoilette genutzt. Mit beiden Tätigkeiten trat U unter derselben Bezeichnung auf; es gab nur eine einheitliche Telefonnummer und eine einheitliche Telefaxnummer. Für die Außengastronomie waren zwölf Tische und 36 Stühle vorhanden, die gemeinsam genutzt wurden. Zum Betriebsvermögen des Grillimbisses gehörte ein Pkw, der auch für Zwecke des Eiscafés genutzt wurde. Ein Teil der Wareneinkäufe wurde für beide Betätigungen gemeinsam vorgenommen, Lieferantenrechnungen benennen dann beide Tätigkeiten im Anschriftenfeld: „U Grill + Eiscafé“. Einige Mitarbeiter des U kamen für beide Betätigungen zum Einsatz. Bei einem Stadtfest im Jahr 2010 erhielten Kunden, die im Grillimbiss ein bestimmtes Gericht bestellten, einen Gutschein für eine Kugel Eis, der im Eiscafé einzulösen war. U unterhielt für jede der beiden Betätigungen ein gesondertes Girokonto. Die beiden Bankkonten wurden aber beim selben Kreditinstitut und unter derselben Stammnummer geführt; zudem bestand eine einheitliche Kreditlinie für beide Bankkonten. Lohnzahlungen für Mitarbeiter des Eiscafés wurden teilweise auch vom Bankkonto des Grillimbisses getätigt. Im Jahr 2014 übergab U das Eiscafé seinem Sohn und im Jahr 2015 den Grillimbiss seiner Schwiegertochter. U ermittelte die Gewinne beider Betätigungen durch getrennte Einnahmen-Überschuss-Rechnungen. In seinen Gewerbesteuererklärungen für 2010 und 2011 fasste U die Ergebnisse der beiden Betätigungen zusammen, weil es sich um einen einheitlichen Betrieb handele. Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selb­ständigen Betrieben komme der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Dabei sei jedoch nicht von einer strikten Zweiteilung in gleichartige bzw. ungleichartige Betätigungen auszugehen; vielmehr steige das notwendige Maß des für eine Zusammenfassung der Betätigungen erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen. Das Finanzamt war dagegen der Ansicht, U sei Inhaber zweier getrennter Betriebe –Grillimbiss einerseits und Eiscafé andererseits. U bekam beim Bundesfinanzhof Recht.

Klaus Krohn
Quelle:
BFH-Urteil vom 17.6.2020, Az. X R 15/18