RICHARD BOORBERG VERLAG

×

24.07.2019

Einkommensteuer

Kapitalertragsteuer für vGA einer dauerdefizitären kommunalen Eigengesellschaft

EStG §§ 20, 43, 44

1.  Der Ausschluss der Rechtsfolgen einer vGA gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG i.d.F. des JStG 2009 gilt nicht nur für die begünstigte dauerdefizitäre Eigengesellschaft, sondern auch für die kapitalertragsteuerlichen Folgen beim (unmittelbaren oder mittelbaren) Anteilseigner.

2.  Der Bestandsschutz gemäß § 34 Abs. 6 Satz 5 KStG i.d.F. des JStG 2009 setzt voraus, dass vor dem 18.6.2008 für den konkreten Einzelfall bestandskräftige – oder zumindest unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene – Bescheide existierten oder eine verbindliche Auskunft erteilt wurde.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine kommunale Gebietskörperschaft, war vor 2003 direkt an der A-GmbH, B-GmbH, und C-GmbH beteiligt. Diese Gesellschaften führten in ihrem Interesse Tätigkeiten der Daseinsvorsorge aus, aus denen sie dauerhafte Verluste erzielten. Die Klägerin glich diese Verluste jeweils aus. Im Jahr 2003 wurden die Beteiligungen der Klägerin an der A-GmbH, B-GmbH, und C-GmbH auf die Z-GmbH übertragen. Die Klägerin war an der Z-GmbH über eine Tochtergesellschaft, die Y-GmbH, beteiligt. Die Z-GmbH glich ab dem Streitjahr 2003 die Dauerverluste aus. Hierzu war sie in der Lage, weil die Klägerin mit Wirkung zum 1.1.2003 auf die Z-GmbH auch zwei Aktienpakete übertragen hatte, aus denen diese Dividendenausschüttungen vereinnahmte. Das FA sah in den Ausgleichszahlungen der Z-GmbH verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), die über die Y-GmbH an die Klägerin gelangt seien, und forderte hierfür von der Klägerin Kapitalertragsteuer nach. Das FG hob die Nachforderungsbescheide hingegen auf. Hiergegen richtete sich die Revision des FA.

Entscheidung des BFH

Der BFH gab dem FA zum Teil Recht. Die Klägerin erzielte 2003 und 2004 über die Beteiligungskette aus der A-GmbH, B-GmbH, und C-GmbH zwar jeweils Einnahmen aus vGA, da sämtliche Gesellschaften auf Veranlassung der Z-GmbH dauerdefizitäre Tätigkeiten unterhielten. Für die vGA aus der B-GmbH war jedoch keine Kapitalertragsteuer nachzufordern. Für die Einkünfte einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die mehrheitlich unmittelbar oder mittelbar an einer Verlustkapitalgesellschaft beteiligt ist, entsteht keine Kapitalertragsteuer für vGA, die aus dem Betrieb eines gesetzlich begünstigten Dauerverlustgeschäfts resultieren, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts die Dauerverluste wirtschaftlich trägt. Ein begünstigtes Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit von einer Kapitalgesellschaft aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört (§ 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG).

Für die vGA aus den Dauerverlustgeschäften der A-GmbH und der C-GmbH griff diese Begünstigung nicht, da deren Dauerverluste nicht auf einer gesetzlich begünstigten Tätigkeit beruhten. Der Erhebung von Kapitalertragsteuer stand insoweit auch kein gesetzlicher Bestandsschutz entgegen (§ 34 Abs. 6 Satz 5 KStG). Voraussetzung hierfür ist, dass für den konkreten Einzelfall vor dem 18.6.2008 bestandskräftige oder zumindest unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Bescheide existieren oder eine verbindliche Auskunft erteilt wurde, nach denen ein Dauerverlustgeschäft der Kapitalgesellschaft nicht als vGA beurteilt worden ist. Hieran fehlte es für die erst zu Beginn 2003 begründete Beteiligungsstruktur.

Praxishinweis

Ist eine kommunale Gebietskörperschaft über zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften mittelbar mehrheitlich an Kapitalgesellschaften beteiligt, die gesetzlich begünstigte Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge dauerhaft defizitär ausführen, erzielt die Kommune hieraus zwar Einnahmen aus vGA. Diese Einnahmen unterliegen auf Ebene der Gebietskörperschaft aber unter den in § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG genannten Voraussetzungen nicht der Kapitalertragsteuer. Dabei geht es um Dauerverlustgeschäfte aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen. Die Entscheidung des BFH vermeidet für juristische Personen des öffentlichen Rechts Belastungen mit Kapitalertragsteuer aus solchen begünstigten Dauerverlustgeschäften.

Prof. Dr. Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 11.12.2018, VIII R 44/15, DStR 2019 S. 1145