RICHARD BOORBERG VERLAG

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06.02.2020

Einkommensteuer

Einziehung einer Forderung keine Veräußerung

EStG § 23

Die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, stellt keine „Veräußerung“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Juni des Streitjahres 2008 von der K-KG eine Forderung gegen die G-GmbH i.H.v. 410.540,94 Euro zzgl. 45.643,34 Euro Zinsen zum Kaufpreis von 200.000 Euro erworben. In der zwischen den Beteiligten getroffenen schriftlichen Vereinbarung wurde u.a. Folgendes vereinbart:

  1. Die K-KG benötigt aufgrund der notwendigen Zwischenfinanzierung für das laufende Investitionsvorhaben ... dringend Liquidität. Die K-KG hat gegenüber der G-GmbH eine Forderung aus 2003 i.H.v. 410.540,94 Euro zzgl. 45.643,34 Euro Zinsen. Diese Forderung kann derzeit auch aufgrund der aktuellen Expansionsphase der G-GmbH nicht ausgeglichen werden.
  2. Es wird vereinbart, dass der alleinige Gesellschafter der G-GmbH (d.h. der Kläger) diese Forderungen zu einem Betrag von 200.000,00 Euro erwirbt. Im Gegenzug verzichtet die K-KG auf die Zinsen i.H.v. 45 643,34 Euro.
  3. (...) Mit Zahlung des vorgenannten Betrages geht der Gesamtanspruch i.H.v. 410.540,94 Euro von der K-KG an ... (den Kläger) über.

Der Kläger war im Streitjahr mit 40 % am Kommanditkapital der K-KG beteiligt. Am Stammkapital der G-GmbH war der Kläger zu 100 % beteiligt. Unter dem 22.12.2008 bezahlte die G-GmbH 400.000 Euro zur (teilweisen) Begleichung der Forderung an den Kläger. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Kläger mit der Einziehung der Forderung den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt und einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis der Forderung (200.000 Euro) und dem eingezogenen Betrag (400.000 Euro) erzielt habe. Einspruch und Klage waren erfolglos.

Entscheidung des BFH

Die Revision war begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage.

Eine „Veräußerung“ i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs voraus, sondern auch, dass sich aufgrund der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut vollzieht. Die bloße Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs stellt keinen entgeltlichen, mit einem Rechtsträgerwechsel verbundenen Übertragungsvorgang dar. Der Gläubiger erhält im Fall der Erfüllung nicht mehr, als seinem Leistungsanspruch entspricht. Damit realisiert der Gläubiger insbesondere auch keine Wertänderung hinsichtlich des maßgeblichen (nämlichen) Wirtschaftsguts. Es fehlt im Fall der Erfüllung einer schuldrechtlichen Forderung an einem Rechtsträgerwechsel, da der Gläubiger bei Tilgung lediglich etwas erhält, was er zivilrechtlich bereits im Zeitpunkt der Abtretung der Forderung erworben hatte. Die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Frage, ob die Einziehung angeschaffter Forderungen innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. bzw. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine „Veräußerung“ darstellt, bislang offengelassen. Der erkennende Senat folgt der Auffassung, dass die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, keine „Veräußerung“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt, da sie weder einen entgeltlichen Vorgang beinhaltet noch zu einem Rechtsträgerwechsel führt. Das in der älteren Rechtsprechung für eine steuerrechtliche Gleichbehandlung der Einziehung und der Veräußerung von Forderungen bemühte Argument einer „wirtschaftlichen Vergleichbarkeit“ der beiden Vorgänge vermag nicht zu überzeugen. Denn anders als im Fall der Weiterveräußerung einer zuvor angeschafften Forderung vollzieht sich die Einziehung derselben durch eine freiwillige Leistung des Schuldners, der hierdurch die Forderung zum Erlöschen bringt (§ 362 Abs. 1 BGB); die Leistung des Schuldners ist folglich nicht auf eine Übertragung der Forderung gerichtet. Überdies setzt die Einziehung keine Mitwirkung des Forderungsinhabers voraus; vielmehr kann der Schuldner die gegen ihn gerichtete Forderung ggf. auch gegen den Willen des Forderungsinhabers zum Erlöschen bringen.

Praxishinweis

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei „anderen Wirtschaftsgütern“, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst innerhalb der Veräußerungsfrist von einem Jahr realisierte Wertänderungen von beweglichen Wirtschaftsgütern jedweder Art im Privatvermögen. Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ erschließen sich aus den Regelungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 HGB und der §§ 135, 136 BGB. Anschaffung bzw. Veräußerung i.S.d. § 23 EStG ist der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten.

Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 3.9.2019, IX R 12/18, DStR 2020 S. 37, DB 2020 S. 32