Sachverhalt
Die Klägerin schloss mit ihren Eltern und Geschwistern 1994 einen notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag ab. Die Eltern gaben an, sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt zu haben. Die Kinder verzichteten gegenüber dem überlebenden Elternteil auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von je 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR). Die Zahlung sollte bis zum 31.12.1994 erfolgen. Die Klägerin verzichtete in derselben Urkunde auf die Auszahlung der 150.000 DM (= 76.693,78 EUR) zum 31.12.1994. An sie sollte der Betrag nebst 5 % Zinsen erst nach dem Ableben des letztversterbenden Elternteils ausgezahlt werden. Zur Sicherung bewilligten und beantragten die Eltern die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 150.000 DM nebst 5 % Zinsen. Mit gemeinschaftlichem Testament vom 13.1.2015 ordneten die Eltern unter Verweis auf den Pflichtteilsverzichtsvertrag an, dass an die Klägerin die Auszahlung der 150.000 DM (= 76.693,78 EUR) nebst 5 % Zinsen Zug um Zug gegen Löschung der Grundschuld erfolgen sollte. Am 10.11.2015 wurden der Klägerin 157.705,52 EUR (150.000 DM = 76.693,78 EEUR zzgl. 81.011,74 EUR Zinsen für die Zeit vom 26.09.1994 bis 09.11.2015) ausbezahlt. Die Klägerin war mit ihrer Auffassung, dass die Auszahlung für den Pflichtteilsverzicht nicht steuerbar sei, vor dem FG erfolgreich. Dem folgte der BFH nicht.
Entscheidung des BFH
Die Revision des FA führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die rechtliche Würdigung des Pflichtteilsverzichtsvertrags durch das FG hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Klage war abzuweisen. Die Zahlung der im Vertrag über den Pflichtteilsverzicht von 1994 vereinbarten Zinsen in Höhe von 5 % jährlich ab 1995 für die Stundung der Ausgleichszahlung in Höhe von 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR) führt im Streitjahr zum Zufluss von Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 81.011,74 EUR. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich aus dem notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag ergebe, dass in dem am 10.11.2015 ausgezahlten Betrag kein Entgelt für die Überlassung von Kapital enthalten sei. Nach den Feststellungen des FG wurde in dem Pflichtteilsverzichtsvertrag vereinbart, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil eine Forderung gegen ihre Eltern in Höhe von 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR) erwarb, die am 31.12.1994 fällig war. Diese Forderung hatte sie zunächst bis zum Tod des letztversterbenden Elternteils verzinslich gestundet. Aufgrund der Anordnung im gemeinschaftlichen Testament der Eltern vom 13.01.2015 wurde der gestundete Betrag ausgezahlt und es flossen der Klägerin die bis dahin entstandenen Zinsen von 5 % pro Jahr in Höhe von insgesamt 81.011,74 EUR zu. Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt. Anders verhält es sich bei den Zinsen, die die Eltern der Klägerin als Entgelt für die Stundung der Ausgleichsforderung gezahlt haben. Die Klägerin hatte den Eltern durch die Stundung einen Kredit in Höhe von 150.000 DM (umgerechnet 76.693,78 EUR) gewährt. Die hierfür gezahlten Zinsen unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Praxishinweis
Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind alle auf Geldleistung gerichteten Forderungen ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Ebenso unerheblich ist, ob die zugrunde liegende Kapitalforderung selbst steuerbar und die Kapitalüberlassung freiwillig erfolgt ist. Dabei kann die Kapitalüberlassung in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen, etwa durch Hingabe als (endfälliges oder in Raten zu tilgendes) Darlehen, durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Streckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung.
Im Streitfall ergab sich kein abweichendes Ergebnis aus den BFH-Urteilen vom 9.2.2010, VIII R 43/06, BStBl II 2010 S. 818, BFHE 229 S. 104, und vom 9.2.2010, VIII R 35/07, BFH/NV 2010 S. 1793. Entgegen der Auffassung des FG kann aus diesen BFH-Urteilen nicht der Schluss gezogen werden, dass, wenn schon wiederkehrende Zahlungen keinen steuerbaren Zinsanteil enthalten, dies bei einer Einmalzahlung erst recht gelten müsse. Entscheidend ist, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil einen fälligen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung erhalten hat, den sie erst in einem zweiten Schritt gestundet hat. Hierdurch wurden die Eltern von ihrer Verpflichtung zur Auszahlung befreit, so dass eine Kreditgewährung vorliegt. Die hierfür gezahlten Zinsen unterliegen der Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.