RICHARD BOORBERG VERLAG

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15.11.2018

Einkommensteuer

Berechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG

EStG §§ 4, 6, 8, 9

Der positive Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist bei Anwendung der 1 %-Regelung auch dann unter Ansatz von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zu berechnen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte als Steuerberaterin Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie war u. a. als freie Mitarbeiterin in den Kanzleiräumen eines Kollegen tätig und unternahm im Streitjahr 2012 insgesamt 85 Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Kanzlei des Kollegen. Die einfache Entfernung betrug 30 km. Januar bis März fuhr die Klägerin mit PKW 1 (Listenpreis 42.600 Euro), April bis Dezember PKW 2 (Listenpreis 35.000 Euro). Sie führte kein Fahrtenbuch. In der Einnahmenüberschussrechnung ermittelte die Klägerin den Entnahmewert für private Fahrten mit den betrieblichen Fahrzeugen nach der 1 %-Methode in Höhe von 4.428 Euro und erfasste diesen Betrag als Betriebseinnahme. Ihr entstanden im Streitjahr Fahrzeugkosten ohne Abschreibungen und Zinsen von 6.035,60 Euro, die sie als Betriebsausgaben geltend machte. Die für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte abzugsfähigen Betriebsausgaben ermittelte die Klägerin für beide Fahrzeuge nicht durch Multiplikation des gesetzlichen Faktors 0,03 % mit dem Listenpreis und der einfachen Wegstrecke zur Betriebsstätte. Stattdessen setzte sie einen Betrag in Höhe von 1.861,50 Euro an, der sich ergab, indem sie jeweils den Listenpreis des genutzten Fahrzeugs mit dem Faktor 0,002 %, den gefahrenen Tagen und den Entfernungskilometern multiplizierte. Die Entfernungspauschale betrug für Fahrten an 85 Tagen und bei einer einfachen Entfernung von 30 km zur Betriebsstätte 765 Euro. Die Klägerin rechnete daher im Ergebnis dem Gewinn einen Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG von 1.096,50 Euro (1.861,50 Euro ./. 765 Euro) hinzu. Das FA ermittelte demgegenüber einen Unterschiedsbetrag von 3.220,20 Euro, den es dem Gewinn hinzurechnete. Für Januar bis März multiplizierte es den Listenpreis des PKW 1 (42.600 Euro) mit dem Faktor 0,03 % und der einfachen Wegstrecke von 30 km (Ergebnis: 1.150,20 Euro). Für April bis Dezember multiplizierte es den Listenpreis des PKW 2 (35.000 Euro) ebenfalls mit dem Faktor 0,03 % und der einfachen Wegstrecke (Ergebnis: 2.835 Euro). Davon zog es den als Entfernungspauschale ermittelten Betrag in Höhe von 765 Euro ab. Das FG gab der Klage statt, die Revision des FA hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im Streitfall war ein positiver Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG zu ermitteln. Die Fahrzeuge waren notwendiges Betriebsvermögen der Klägerin. Sie hat für ihre Privatfahrten zutreffend eine pauschale Betriebseinnahme (Entnahme) nach Maßgabe der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in Höhe von 4.428 Euro angesetzt. Bei der Kanzlei des Kollegen handelte es sich auch um die Betriebsstätte der Klägerin i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG. Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG für jeden Kalendermonat so zu ermitteln, dass der gesetzliche Faktor von 0,03 % mit dem Listenpreis des Fahrzeugs und den Entfernungskilometern multipliziert und hiervon der Betrag der Entfernungspauschale abgezogen wird. Eine teleologische Reduktion der Regelung ist auch im Hinblick auf die abweichende Auslegung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG durch den VI. Senat des BFH nicht geboten. Der Faktor 0,03 %, auf den § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG abstellt, geht von einer durchschnittlichen Anzahl von 15 Fahrten je Monat zur ersten Arbeitsstätte aus. Bei einer deutlich geringeren Anzahl von Fahrten steht lt. VI. Senat die pauschalierende Ermittlung des Korrekturbetrags im Widerspruch zur Grundannahme der für die Ausgabenseite geltenden Pauschalierung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nach der Entfernungspauschale, die eine fahrtenbezogene Ermittlung des Werbungskostenabzugs vorsieht und durch den Zuschlag des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG korrigiert werden soll.

Wird der Dienstwagen in erheblich geringerem Umfang für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt, hängt die Höhe des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Korrekturbetrags ist in diesen Fällen eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 %des Listenpreises i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Eine taggenaue Ermittlung hat der VI. Senat des BFH bislang bejaht, wenn ein Arbeitnehmer ein dienstliches Kfz nur einmal pro Woche für Fahrten zur Arbeit nutzt (BFH, Urteil vom 31.1.2011, VI B 130/10, BFH/NV 2010 S. 792). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung des VI. Senats auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG kommt jedoch schon angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht in Betracht. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.

Praxishinweis

Bei einer deutlich geringeren Anzahl als 15 Fahrten im Monat hängt nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH die Höhe des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten ab. Zur Ermittlung des Korrekturbetrags ist in diesen Fällen eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 %des Listenpreises i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Dem folgt die Finanzverwaltung mit einer noch weitergehenden Regelung (BMF-Schreiben vom1.4.2011, IV C 5 – S 2334/08/10010, BStBl I 2011 S. 301, unter 2.2, für die Jahre ab 2011). Der VIII. Senat folgt dem für die Auslegung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG hingegen nicht.

Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel
Quelle:
BFH, Urteil vom 12.6.2018, VIII R 14/15