RICHARD BOORBERG VERLAG

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05.08.2019

Einkommensteuer

Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld

EStG §§ 19, 24, 34

Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld, die auf der Grundlage eines Transfer-Arbeitsverhältnisses und mit Rücksicht auf dieses von der Transfergesellschaft geleistet werden, sind regelmäßig keine Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sondern laufender Arbeitslohn i.S. des § 19 EStG.

Sachverhalt

Der Kläger war seit mehr als 24 Jahren Arbeitnehmer der B-AG. 2014 schloss er mit der B-AG und der A-Transfer-GmbH aufgrund der Stilllegung des Werks der B-AG einen dreiseitigen Vertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.3.2015 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 157.747, 23 EUR aus betriebsbedingten Gründen aufgehoben wurde und die A-Transfer-GmbH ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 1.4.2015 bis zum 31.3.2017 mit dem Kläger begründete, dessen Geschäftsgrundlage die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld i.S. von § 111 SGB III war. Die A-Transfer-GmbH verpflichtete sich zur Zahlung eines Zuschusses zum Transferkurzarbeitergeld. Einen Anspruch auf Beschäftigung gegenüber der A-Transfer-GmbH hatte der Kläger nicht. Das Finanzamt erfasste 2015 sämtliche von der B‑AG und von der A‑Transfer-GmbH an den Kläger geleisteten Zahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Abfindung unterwarf das Finanzamt als außerordentliche Einkünfte i.S. von § 34 EStG dem ermäßigten Tarif, die Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld erfasste es dagegen als laufenden Arbeitslohn. Das Finanzgericht unterwarf die Einkünfte des Klägers in Höhe von 6.825,35 EUR dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG.

Entscheidung des BFH

Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld in Höhe von 6.825,35 EUR nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ermäßigt zu besteuern sind. Es hat nicht hinreichend geprüft, ob ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufstockungsbeträgen und der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der B-AG bestand bzw. die Zuzahlungen gerade durch den Verlust der steuerbaren Einnahmen bedingt waren. Das Finanzgericht hat einen solchen unmittelbaren Zusammenhang im Wesentlichen mit der Begründung bejaht, die Zahlungen könnten nicht Gegenstand einer laufenden Einkünfteerzielung sein, da sie nicht für laufende Arbeitsleistung gewährt worden seien. Der Kläger sei für die A-Transfer-GmbH tatsächlich nicht tätig gewesen. Er habe auch keinen Anspruch auf Beschäftigung gehabt. Das Finanzgericht lässt insoweit unberücksichtigt, dass ein Arbeitgeber auch gänzlich auf die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters verzichten kann, ohne dass dies der Annahme eines Arbeitsverhältnisses entgegenstünde. Dass sich die Ver­pflichtungen des Klägers in erster Linie auf die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, die Durchführung eines Profilings (§ 111 SGB III) oder sonstige Maßnahmen zur Verbesserung seiner Arbeitsmarktchancen bezogen haben, spricht nicht gegen die Annahme laufender Einnahmen i.S. des § 19 EStG. So sind z.B. auch Vergütungen im Rahmen eines Dienstver­hältnisses, das der Ausbildung des betreffenden Leistungsempfängers dient, steuerrechtlich Arbeitslohn.

Nach Maßgabe der vom BFH auf der Grundlage des dreiseitigen Vertrags vorgenommenen Würdigung sind die Zuzahlungen der A-Transfer-GmbH zum Transferkurzarbeitergeld laufender Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, da sie mit Rücksicht auf das Transfer-Arbeitsverhältnis geleistet bzw. durch dieses veranlasst sind. Im Sozialplan wurde zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile in Folge der Stilllegung des Werks der B-AG nicht die Zahlung der Aufstockungsbeträge an die Arbeitnehmer als Entschädigung vereinbart, sondern neben einer Abfindung die Ermöglichung der Teilnahme an einer Transfergesellschaft. Erst in der Transfergesellschaft und auf der Grundlage des Transfer-Arbeitsverhältnisses erhielt der Kläger im Streitjahr die Aufstockungsbeträge, die zudem mit der Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld verknüpft waren. Den Kläger trafen aus dem Transfer-Arbeitsverhältnis aktive Mitwirkungs- und Teilnahmepflichten; die A-Transfer-GmbH war berechtigt, den Kläger im Rahmen ihres Weisungsrechts auch zur Erprobung an andere Arbeitgeber abzuordnen. Die Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld stellen sich demnach jedenfalls im weitesten Sinne als Gegenleistung dar. Unerheblich ist insoweit, dass die Finanzierung der A-Transfer-GmbH aus Sozialplanmitteln der B-AG erfolgt ist.

Praxishinweis

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG in Betracht. Eine Entschädigung tritt an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen. Sie muss u.a. unmittelbar durch den Verlust von steuerbaren Einnahmen bedingt, d.h. durch den Fortfall der erwarteten oder zu erwartenden Einnahmen sachlich begründet und dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen, sowie auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Diese Voraussetzungen erfüllt Arbeitslohn aus einem Transfer-Arbeitsverhältnis, wie er hier gezahlt wurde, nicht.

Prof. Dr. Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 12.3.2019, IX R 44/17, BFH/NV 2019 S.1867