1. Die bis zum Senatsurteil vom 11.7.2017, IX R 36/15 (BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Haben die Gesellschafter einer GmbH durch Feststellung des Jahresabschlusses untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft rechtsverbindlich bestätigt, dass eine im Jahresabschluss ausgewiesene Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter in der ausgewiesenen Höhe besteht, ist dies auch für die Besteuerung des Gesellschafters von Bedeutung; die Feststellung des Jahresabschlusses spricht dann zumindest indiziell für das Bestehen der Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft dem Grunde und der Höhe nach.
Sachverhalt
Der Kläger war Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH. In einem Darlehensrahmenvertrag war seit 1999 vereinbart, dass Auslagen und sonstige Einlagen des Klägers bei der GmbH auf einem Darlehenskonto erfasst werden sollten. Das Darlehen sollte in der Krise der Gesellschaft bestehen bleiben. Seit 2009 liquidierte der Kläger die GmbH. Die Bilanz weist nur noch das gezeichnete Kapital und die verbliebene Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger aus. Das Finanzamt bestritt den Bestand der Forderung und machte, soweit Unterlagen noch zur Verfügung standen, Mängel geltend. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist der Vertrauensschutzrechtsprechung des BFH zur Anwendung der Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts bei der Beurteilung des Vorliegens nachträglicher Anschaffungskosten über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des MoMiG hinaus entgegengetreten und hat ausgeführt, der Kläger müsse den Endbestand des Darlehens über den gesamten Zeitraum seiner Entstehung lückenlos nachweisen. Das sei ihm nicht gelungen.
Entscheidung des BFH
Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Der IX. Senat hält daran fest, dass die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen übergangsweise weiter anzuwenden sind. Steuerpflichtigen, die ihrer GmbH als Gesellschafter bis zum 27.9.2017 eine ehemals eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe geleistet haben, können den Ausfall ihrer Rückzahlungs- oder Regressansprüche bei Anteilsveräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen.
Danach kommt es für die Höhe der (nachträglichen) Anschaffungskosten im Streitfall auf den unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff an (vgl. Senatsurteil vom 11.7.2017, IX R 36/15, BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427, Rz. 40). Der streitige Sachverhalt ist in den Jahren bis 2011 verwirklicht worden; auf die am 27.9.2017 veröffentlichte Neuausrichtung der Rechtsprechung kann die Entscheidung nicht gestützt werden, weil bis dahin niemand wissen konnte, wie der BFH bei der Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG auf die zivilrechtliche Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts reagieren würde. Der Senat hat bei unverändertem Wortlaut der anzuwendenden Norm (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) in seinem Urteil in BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427 seine langjährige Rechtsprechung geändert und verschärft. In einer solchen Situation kann die Rechtsprechung ausnahmsweise typisierenden Vertrauensschutz gewähren. Auch konnte das Finanzgericht nicht nach der Feststellungslast zu Lasten des Klägers entscheiden. Der Bestand der ausgefallenen Gesellschafterforderung ergab sich indiziell dem Grunde und der Höhe nach aus dem festgestellten Jahresabschluss der GmbH. Mit der förmlichen Feststellung des Jahresabschlusses bestätigen die Gesellschafter zugleich die darin abgebildeten Rechtsverhältnisse untereinander und im Verhältnis zur Gesellschaft. Daraus folgt zumindest ein Indiz für das Bestehen der Gesellschaftsforderung im Streitfall. Diese reichte, um das Urteil des Finanzgericht aufzuheben.
Praxishinweis
Mit Urteil vom 11.7.2017, IX R 36/15 (BStBl II 2019 S. 208, BFHE 258 S. 427) hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten bei der Veräußerung von Anteilen i.S.v. § 17 EStG geändert. Obwohl der Grund für diese Rechtsprechungsänderung schon 2008 mit Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG bestand, hat der Senat angekündigt, die bisherigen Grundsätze in allen Fällen weiter anzuwenden, in denen der Sachverhalt am 27.9.2017 bereits verwirklicht war. Dies bestätigt der BFH im Streitfall.
Eine Feststellungslast-Entscheidung zu Lasten des Steuerpflichtigen kommt nicht in Betracht, wenn Indizien für das Vorliegen einer von ihm als nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemachten Forderung sprechen.