RICHARD BOORBERG VERLAG

×

05.05.2020

Einkommensteuer

Arbeitshilfe des BMF zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück

EStG § 7

Im Revisionsverfahren stellt sich die Frage, ob die vom BMF zur Verfügung gestellte „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ bei der Aufteilung eines vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude für Zwecke der AfA-Bemessung zugrunde gelegt werden kann. Der Senat hat das BMF zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Sachverhalt

Die klagende Grundstücksgemeinschaft erwarb 2017 eine Einzimmerwohnung in einem 1973 fertiggestellten Mehrfamilienhaus, die vermietet wird. Im Kaufpreis von 110.000 EUR enthalten war lt. Kaufvertrag „das Entgelt für den anteiligen Wert des Grundstücks, den die Beteiligten nach bestem Wissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit ca. 20.000 beziffern.“ Diese Kaufpreisaufteilung legte die Klägerin der Berechnung der AfA zugrunde (Gebäudeanteil von 81,81 % (20.000/110.000), AfA-Bemessungsgrundlage 96.547,47 EUR). Hingegen ermittelte das Finanzamt auf der Grundlage der vom BMF im Internet bereitgestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ – abzurufen unter www.bundesfinanzministerium.de – einen Gebäudeanteil von 27,03 %. Dem lagen ein Bodenwert von 77.713 EUR (1.185 qm [Fläche] × 1.700 EUR/qm [Bodenrichtwert] × 38.577/1.000.000 [Miteigentumsanteil]) sowie ein Gebäudewert von 28.782 EUR (39 qm [Wohnfläche] × 738 EUR/qm [typisierte Herstellungskosten]) zugrunde. Dementsprechend wurden die Anschaffungskosten von 118.002 EUR (einschließlich Nebenkosten) aufgeteilt und in Höhe von 31.896 EUR der AfA unterworfen.

Im Einspruchsverfahrens trug die Klägerin vor, kaufentscheidend seien der Zustand des Gebäudes, der Zuschnitt der Wohnung und die Raumaufteilung, die Gestaltung der Hausflure und die großen Balkone gewesen. Hingegen sei die Lage des Grundstücks (zwischen S-Bahn und Autobahn, nahe einem Platz mit hoher Verbrechensrate, Kopfsteinpflaster vor der Tür) nicht gut. Daher sei der Bodenrichtwert völlig absurd und haltlos. Allein die Aufwendungen für eine Renovierung von Bad und Küche wären höher als der nach der Arbeitshilfe zugrunde zu legende Gebäudewertanteil.

Im Klageverfahren ergänzte die Klägerin, dass der im Kaufvertrag ausgewiesene Gebäudewertanteil noch weit unter den aktuellen Gebäudeherstellungskosten von mindestens 2.000 EUR pro qm liege, so dass ein Betrag von 80.000 EUR als Mindestwert für den Gebäudeanteil anzusehen sei. Veröffentlichungen des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes sei zu entnehmen, dass Baukosten von 2.400 EUR pro qm und anteilige Grundstückskosten von 600 EUR pro qm für innerstädtische Lagen anzusetzen seien, woraus sich – wie im Kaufvertrag ausgewiesen – ein Bodenwertanteil von 20 % ergebe. Es treffe zwar zu, dass die Kaufpreisaufteilung im notariellen Kaufvertrag von der Käuferseite veranlasst gewesen sei und die Verkäuferseite keine Veranlassung gehabt habe, sich dieser zu widersetzen. Der Aufteilung liege jedoch zugrunde, dass eine kalkulierte Rendite von 6,71 % – bezogen allein auf den Gebäudewert – habe erreicht werden sollen.

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Senat sei zu der Überzeugung gelangt, dass die vertragliche Kaufpreisaufteilung im Streitfall nicht die realen Wertverhältnisse widerspiegele. Er halte die Arbeitshilfe für die Wertermittlung, insbesondere für die Ermittlung des Gebäudesachwerts, grundsätzlich für geeignet, messe ihren Ergebnissen eine große indizielle Bedeutung zu, um bei erheblicher Abweichung die Marktangemessenheit der vertraglich vereinbarten Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, und sehe in ihr – im Fall der Widerlegung – eine geeignete Schätzungshilfe. Der Senat gelange im Weg der Schätzung zu einer Kaufpreisaufteilung, wie sie sich aus der Arbeitshilfe ergebe.

Entscheidung des BFH

Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Frage zu befassen, welche Bedeutung der vom BMF zur Verfügung gestellten „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ bei der Aufteilung eines vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude nach den realen Verkehrswerten (vgl. Senatsurteil vom 16.9.2015, IX R 12/14, BStBl II 2016 S. 397, BFHE 251 S. 214) für Zwecke der AfA-Bemessung zukommt. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das BMF an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Praxishinweis

Der Aufteilung eines einheitlichen Kaufpreises für Gebäude und Grundstück kommt für die AfA entscheidende Bedeutung zu. Ob die Arbeitshilfe des BMF hierzu die tatsächlichen Wertverhältnisse durch ihre typisierten Schätzungen im Bereich des Gebäudewerts zutreffend darstellt, erscheint vielfach zweifelhaft. Zu berücksichtigen ist dabei etwa auch, dass der Gesetzgeber – wie § 7b EStG zeigt – Baukosten in Höhe von 2.000 EUR pro qm für einfache Wohnräume für nicht realisierbar hält und die Fördergrenze daher auf 3.000 EUR pro qm festgelegt worden ist. Jenseits der Frage aber, ob die Schätzung der Arbeitshilfe realitätsgerecht ist, wirft sie eine Reihe grundsätzlicher dogmatischer Fragen auf, etwa dahingehend, ob nicht eine plausible Wertermittlung des Steuerpflichtigen der Besteuerung zugrunde zu legen ist und eine Schätzung ausschließt. Hierzu ist im vorliegenden Revisionsverfahren eine zeitnahe Klärung zu erwarten.

Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin am BFH
Quelle:
BFH, Beschluss vom 21.1.2020, IX R 26/19, BFH/NV 2020 S. 547