RICHARD BOORBERG VERLAG

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13.11.2019

Einkommensteuer

Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im Feststellungsverfahren

EStG §§ 3, 3c

1. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs.                                                                        2 EStG anzuwenden, so dass die Einkünfte nach Anwendung dieser Vorschriften grundsätzlich „netto“ festzustellen sind. Zulässig ist aber auch, die § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG unterliegenden laufenden Einkünfte oder Veräußerungsgewinne zusätzlich „brutto“ festzustellen, soweit aus den weiteren Feststellungen für einen verständigen Empfänger erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte ein weiterer Rechenschritt erforderlich ist.

2. Endgültig einnahmelos ist eine Kapitalbeteiligung erst dann, wenn feststeht, dass Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen aus der nämlichen Beteiligung niemals als Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i. S. des § 3 Nr. 40 EStG einer bestandskräftigen Veranlagung des Steuerpflichtigen oder einer bestandskräftigen gesonderten und ggf. einheitlichen Feststellung seiner Einkünfte zugrunde gelegen haben.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit den Kommanditisten A, B, C und D. Sie errichtete im Jahr 2002 ein Autohaus und vermietete es an die X-GmbH, mit der eine Betriebsaufspaltung bestand. Nach einer verdeckten Gewinnausschüttung der X-GmbH an B im Feststellungsjahr 2006 stellte das Finanzamt im Feststellungsbescheid für 2006 für B Sonderbetriebseinnahmen sowie darin enthaltene Einkünfte „unter §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG, § 4 Abs. 7 UmwStG ... (100 %)“ fest.

Die Betriebsaufspaltung endete zum 30.6.2009. Sämtliche in den Sonderbetriebsvermögen gehaltene Beteiligungen wurden zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 EUR veräußert bzw. zu einem Wert von 1 EUR in das Privatvermögen überführt. Im Feststellungsbescheid 2009 stellte das Finanzamt Veräußerungsverluste sowie darin enthaltene Veräußerungsverluste aus den Gesellschafter-Beteiligungen an der Komplementär-GmbH und der X-GmbH fest, „die unter die §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallen (100 %)“. Diese rechnete es allein dem B zu, weil nur bei diesem das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG eingreife, da ihm im Feststellungsbescheid 2006 zur Hälfte steuerpflichtige Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG zugerechnet worden seien.

Entscheidung des BFH

Grundsätzlich ist die sog. Nettomethode anzuwenden, wonach die Steuerfreistellungen nach § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG zwingend im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen sind. Denn nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind auf Ebene der Mitunternehmerschaft die „steuerpflichtigen Einkünfte“ festzustellen. Dabei sind § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG und § 8b KStG als (anteilige) Steuerbefreiung bereits mit einzubeziehen. Dies gilt grundsätzlich auch bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften.

Auch die sog. modifizierte Bruttomethode, bei der nicht der Nettobetrag, sondern zusätzlich zum Bruttobetrag die darin enthaltenen Einkünfte, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b KStG fallen, als „andere Besteuerungsgrundlage“ bindend festgestellt werden, entspricht dem § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Bei einstöckigen Mitunternehmerschaften entspricht diese Vorgehensweise im Ergebnis der sog. Nettomethode, auch wenn der Nettobetrag selbst nicht festgestellt ist. Bei mehrstöckigen Mitunternehmerschaften, bei denen dem Feststellungsfinanzamt die Rechtsform der Obergesellschafter nicht bekannt ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn auch keine diesbezüglichen Ermittlungen aufgenommen werden. In diesen Fällen beschränkt sich die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids darauf, dass die Einkünfte entweder unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG oder unter § 8b KStG fallen; der Nettobetrag lässt sich insoweit noch nicht ermitteln. Auch in Fällen, in denen sowohl laufende Einkünfte als auch Veräußerungsgewinne (i. S. des § 16 EStG) festgestellt werden, ist das Finanzamt zur Bruttofeststellung befugt, da beispielsweise erst das Wohnsitzfinanzamt über den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG entscheidet.

Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine anteilige Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG nicht in Betracht. Endgültig einnahmelos ist eine Kapitalbeteiligung allerdings erst dann, wenn feststeht, dass aus der Beteiligung niemals Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen i. S. des § 3 Nr. 40 EStG einer Veranlagung zugrunde gelegen haben.

Praxishinweis

Der BFH arbeitet sich zunächst am Beschluss des Großen Senats des BFH zu Zebragesellschaften vom 11.4.2005, GrS 2/02, BStBl II 2005 S. 679, BFHE 209 S. 399, ab und legt als grundlegende Methode für Feststellungsbescheide die Nettomethode fest. Die Ausführungen zur Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG sind nach der Einführung des heutigen § 3c Abs. 2 Satz 7 EStG (eingefügt als Satz 2 durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010, BGBl I 2010 S. 1768; BStBl I 2010 S. 1394) obsolet, da mittlerweile die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen ausreicht.

Dr. Christian Stahl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am BFH
Quelle:
BFH, Urteil vom 25.7.2019, IV R 47/16, DB 2019 S. 2272