Ein Verzicht des Gesellschafters auf ein Gesellschafterdarlehen gegen Besserungsschein kann für Schuldzinsen, die auf ein Refinanzierungsdarlehen gezahlt werden, bis zum Eintritt des Besserungsfalls zu einem Wechsel des Veranlassungszusammenhangs der Aufwendungen hin zu den Beteiligungserträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Ein Wechsel des Veranlassungszusammenhangs tritt insbesondere ein, wenn der Gesellschafter durch den Verzicht auf Zins- und Tilgungsansprüche aus dem Gesellschafterdarlehen die Eigenkapitalbildung und Ertragskraft der Gesellschaft stärken will.
Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG kommt für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Kapitalerträgen aus einem Gesellschafterdarlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) stehen, gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich auch dann nicht zur Anwendung, wenn die geschuldeten Kapitalerträge von der Gesellschaft nicht gezahlt werden.
Sachverhalt
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. In den Streitjahren 2009 und 2010 waren der Kläger zu 66 % und die Klägerin zu 8 % an der X GmbH (GmbH) beteiligt. Die Kläger hatten ein verzinsliches Darlehen aufgenommen, um ihre Stammeinlagen zu finanzieren. Seit 1997 hatten sie der GmbH mehrere verzinsliche Gesellschafterdarlehen gewährt, die sie bei Banken refinanziert hatten. Z. T. hatten sie sowohl auf Zinsen als auch auf die Darlehensrückzahlung verzichtet. Die Wirkung des Verzichts sollte jeweils entfallen, wenn die Befriedigung der Kläger ohne Gefährdung anderer Gläubiger möglich sei oder die Eigenkapitalquote der GmbH 20 % erreicht hätte. In den Streitjahren waren diese Bedingungen nicht erfüllt. Z. T. erfolgten Zinszahlungen der GmbH auf das Gesellschafterdarlehen auch nicht, soweit nicht verzichtet worden war. Die Kläger erklärten wegen der geleisteten Refinanzierungszinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einen Werbungskostenüberschuss. Ein Antrag auf Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren für Beteiligungserträge gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 3 Nr. 40 EStG wurde in den – vom steuerlichen Berater erstellten – Erklärungen nicht gestellt. Das FA verneinte aufgrund der Verzichte der Kläger auf Zins- und Darlehensrückzahlungsansprüche jeweils die Einkünfteerzielungsabsicht und versagte die Berücksichtigung der Schuldzinsen als Werbungskosten. Einspruch und Klage vor dem FG blieben erfolglos.
Entscheidung des BFH
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung an das FG. Dessen Feststellungen tragen seine Würdigung, dass ein Abzug der Schuldzinsen aus den Refinanzierungsdarlehen ausgeschlossen ist, nicht vollständig. Das FG hat jedoch zutreffend einen Abzug der Schuldzinsen für die Finanzierung der Stammeinlagen verneint. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG, wonach das Werbungskostenabzugsverbot (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG) für Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anzuwenden ist, greift mangels wirksamem Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht.
Auch die Schuldzinsen zur Refinanzierung von Gesellschafterdarlehen, auf die verzichtet wurde, sind wegen des Werbungskostenabzugsverbots nicht abziehbar. Nach dem Verzicht auf die Darlehensforderungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) stehen die Refinanzierungszinsen nur noch im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Beteiligungserträgen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Insoweit gilt das Werbungskostenabzugsverbot, weil kein Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gestellt wurde. Soweit der Kläger auf Darlehensforderungen nicht verzichtet hat, gilt das Werbungskostenabzugsverbot wegen seiner Beteiligung von mindestens 10 % nicht (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Dabei ist unerheblich, dass die Zinszahlungen auf ein Gesellschafterdarlehen von der Gesellschaft zwar zivilrechtlich geschuldet, aber nicht erbracht worden sind.
Praxishinweis
Nimmt ab 2009 ein mindestens zu 10 % am Stammkapital beteiligter Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ein Darlehen auf, um selbst ein verzinsliches Gesellschafterdarlehen an die Kapitalgesellschaft auszureichen, sind die Schuldzinsen für das Refinanzierungsdarlehen grundsätzlich als Werbungskosten durch die Erträge aus dem Gesellschafterdarlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) veranlasst. Diese Werbungskosten können ohne die Beschränkungen des Werbungskostenabzugsverbots bei den tariflich besteuerten Kapitaleinkünften des Gesellschafters abgezogen werden (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG). Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft die geschuldeten Zins- und Tilgungszahlungen aus dem Gesellschafterdarlehen nicht erbringt.
Verzichtet der Gesellschafter aber auf sein Gesellschafterdarlehen, um die Eigenkapitalbildung und Ertragskraft der Gesellschaft zu stärken, sind bei ihm weiterhin anfallende Refinanzierungszinsen nicht als Werbungskosten im Zusammenhang mit früheren Zinseinkünften abziehbar. Die nunmehr durch die Beteiligungserträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) veranlassten Refinanzierungszinsen sind nur auf Antrag (gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG) zu 60 % als Werbungskosten abziehbar.