RICHARD BOORBERG VERLAG

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29.01.2024

Streit um die Höhe einer großen Witwenrente

DRV hatte nicht die Entgeltpunkte angerechnet, die Grundlage der Altersrente des verstorbenen Ehemannes waren

Eine Hinterbliebene kann aus Besitzschutzgründen beanspruchen, dass ihrer Rente die höheren persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen versicherten Ehemannes zugrunde gelegt würden.

Der beim beklagten Rentenversicherungsträger versicherte Ehemann der Klägerin siedelte 1990 aus der Republik Polen in die Bundesrepublik Deutschland über und war als Spätaussiedler anerkannt. Die beklagte DRV gewährte ihm Regelaltersrente.

Nach dem Tod des Versicherten bewilligte die Beklagte der Klägerin, die 1992 aus Polen übergesiedelt war, eine große Witwenrente. Dabei legte sie lediglich diejenigen (fiktiven) Entgeltpunkte des Versicherten zugrunde, die sich für ihn bei einer Übersiedlung ebenfalls erst im Jahr 1992 ergeben hätten.

Die Klage, gerichtet auf die Bewilligung einer großen Witwenrente unter Zugrundelegung der Entgeltpunkte, die Grundlage der Altersrente des verstorbenen Versicherten waren, ist in beiden Instanzen erfolgreich gewesen.

 

Der Senat hat die Revision der beklagten DRV zurückgewiesen. Die Beklagte ist aus § 88 Absatz 2 Satz 1 SGB VI verpflichtet, der Klägerin eine große Witwenrente unter Zugrundelegung der persönlichen Entgeltpunkte zu gewähren, die Grundlage der Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes waren.

Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Besitzschutzregelung sind erfüllt. Die Hinterbliebenenrente der Klägerin folgte unmittelbar auf die Versichertenrente und die für die Hinterbliebenenrente ermittelten persönlichen Entgeltpunkte blieben hinter denjenigen des verstorbenen Versicherten zurück. Der Besitzschutz erstreckt sich nach dem Gesetzeswortlaut auf die persönlichen Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten in ihrer Gesamtheit. Ein solch umfassender Besitzschutz entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Sie sichert das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen in den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe.

Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des § 88 Absatz 2 Satz 1 SGB VI ergibt nichts Abweichendes. Es sei dahingestellt, inwiefern dieser Grundsatz hier herangezogen werden kann, obwohl die Rentenansprüche der Klägerin gerade nicht nach dem deutsch-polnischen Abkommensrecht bestimmt werden. Für sie gilt die Verordnung (EG) Nr. 883/2004; nach dem europäischen Koordinierungsrecht berechnet sich die Höhe ihrer Hinterbliebenenrente nach nationalem Recht. Jedenfalls widerspricht die Anwendung der Besitzschutzregelung in § 88 Absatz 2 Satz 1 SGB VI nicht dem Willen der Vertragsparteien der deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen. Es werden weder Art noch Umfang der Zeiten verändert, die vom deutschen Rentenversicherungsträger zu berücksichtigen sind. Soweit die Beklagte beanstandet, dass bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente der Klägerin polnische Zeiten einbezogen würden, die zugleich Grundlage der vom polnischen Träger gewährten Familienrente seien, findet dies seine Grundlage im Fremdrentengesetz.

 

BSG, Urteil vom 21.12.2023, B 5 R 5/22 R

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/ 2023/2023_12_21_B_05_R_05_22_R.html