RICHARD BOORBERG VERLAG

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24.06.2024

Selbstständig oder nicht selbstständig?

Vermittelte Ärztin führte Diabetes-Screening in einem Unternehmen durch

Eine Ärztin, die in das System der Präventionsleistungen, das ihre Auftraggeberin für Arbeitgeber organisiert, eingebunden ist, führt keine selbständige Tätigkeit aus, wenn ihre Aufgabe darin besteht, die angebotene Leistung - das Screening - umzusetzen.

Eine GmbH schloss mit einem andern Unternehmen einen Vertrag über die Durchführung eines Diabetes-Screening für dessen Arbeitnehmer. Vereinbart wurde die Durchführung von Reihenuntersuchungen in den Räumlichkeiten des Unternehmens durch spezialisierte Ärzte. Vermittelt über eine Arztvermittlungsplattform beauftragte die klagende GmbH eine Ärztin mit der Durchführung der zugesagten Leistungen. Hierzu überließ die Klägerin ihr das erforderliche Equipment. Entlohnt wurde die Ärztin mittels Honorarvertrag über einen Stundensatz, den sie unmittelbar mit der Klägerin abrechnete.

Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in einem Statusfeststellungsverfahren jedoch fest, dass die Ärztin während ihrer Einsätze der Versicherungspflicht unterlegen habe.

Das SG hat die Bescheide der DRV aufgehoben. Das LSG hat das Urteil des SG geändert, denn ein Beschäftigungsverhältnis zwischen der Ärztin und der Plattformbetreiberin bestände nicht. Somit liege insoweit auch keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Ärztin sei vielmehr zur Erfüllung der vertraglichen Aufgaben der Klägerin eingesetzt worden und damit zwangsläufig in deren Organisations- und Weisungsstruktur eingegliedert gewesen.

 

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV. Eine Eingliederung in ein Geschäftsmodell dürfe nicht mit einer Eingliederung in einen Betrieb gleichgesetzt werden. Insbesondere spreche die Höhe des Stundenhonorars für eine selbstständige Tätigkeit, da sie Eigenvorsorge erlaube. Die Rechtsauffassung des LSG mache eine selbstständige Tätigkeit von Diensten höherer Art in einem Subunternehmerverhältnis generell unmöglich.

Die Revision der Klägerin beim BSG ist erfolglos geblieben. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Beigeladene während ihrer Einsätze für die Klägerin in der Sozialversicherung versicherungspflichtig war. Denn es überwiegen die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung.

  • Die Beigeladene war während ihrer Einsätze in einer ihre Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in die von der Klägerin vorgegebenen Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen zur Durchführung der Reihenuntersuchungen eingegliedert. Entscheidend hierfür spricht, dass die vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Drittunternehmen der Ärztin keinen nennenswerten Freiraum für eine abweichende Gestaltung ihrer Tätigkeit einräumten. Auch Ort und Zeit waren dadurch verbindlich vorgegeben.
  • Die erforderlichen Betriebsmittel hat die Klägerin der Beigeladenen unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
  • Die Tätigkeit der Ärztin beschränkte sich mithin im Wesentlichen auf die Verwertung ihrer persönlichen Arbeitskraft im Sinne einer dienenden Teilhabe an einer von der Klägerin gegenüber dem Unternehmen gesamtverantworteten und vorgeprägten Dienstleistung.
  • Angesichts der Vergütung nach Stundensätzen war die Ärztin insbesondere weder einem Unternehmerrisiko ausgesetzt noch konnte sie durch unternehmerisches Geschick das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten beeinflussen.

 

Dass die Beigeladene auch für andere tätig werden durfte, spricht nicht für ihre Selbstständigkeit im Rahmen der für die Klägerin durchgeführten Aufträge.

BSG, Urteil vom 12.6.2024, B 12 BA 2/22 R

 

 

 



 

 

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/ 2024/2024_06_12_B_12_BA_02_22_R.html