RICHARD BOORBERG VERLAG

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09.12.2024

Rentenumwandlung ohne Anhörung des Versicherten

Versicherungsträger hielt Anhörungsfrist nicht ein

Die zur Vermeidung einer Umwandlung der vorläufigen Rente in eine Dauerrente nicht eingehaltene Anhörungsfrist kann nur geheilt werden, wenn dem Versicherten nachvollziehbar aufgezeigt wird, was nach Ansicht des Unfallversicherungsträgers zur Herabstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit führte. Ein bloßer Hinweis auf die allgemein anerkannten Erfahrungswerte ist nicht ausreichend.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und bei der beklagten Berufsgenossenschaft freiwillig versichert. Er erlitt am 6. Dezember 2010 einen Wegeunfall mit Verletzungen der rechten Hand. Die Beklagte gewährte eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vom Hundert. Zur Feststellung einer Dauerrente veranlasste die Beklagte eine handchirurgische Begutachtung, hörte den Kläger noch vor Eingang des Gutachtens zum Entzug der Rente mit Ablauf des Monats November 2013 an und räumte ihm eine Äußerungsfrist von 2 Wochen. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 vom Hundert zu bemessen sei. Die beratungsärztliche Stellungnahme erachtete hingegen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vom Hundert für angemessen.

Mit Bescheid vom 27. November 2013 lehnte die Beklagte eine Dauerrente ab und entzog die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats November 2013. Zur Begründung fügte sie das Gutachten bei, verwies wegen ihrer abweichenden Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aber auf die allgemein anerkannten Erfahrungswerte. Mit seinem Widerspruch rügte der Kläger die Nichteinhaltung der Anhörungsfrist. Die Beklagte räumte dem Kläger deswegen eine Frist zur Äußerung bis zum 21. Februar 2014 ein und wies anschließend den Widerspruch zurück.

 

Mit der Revision rügt der Kläger unter anderem die Verletzung der § 24 SGB X. Er habe sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen nicht äußern können.

Die Revision beim BSG war erfolgreich. Der Kläger hat Anspruch auf Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 20 vom Hundert. Der Kläger ist im Ausgangsverfahren nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil die Beklagte die von ihr selbst gesetzte Anhörungsfrist von zwei Wochen nicht eingehalten hat. Eine Heilung im Widerspruchsverfahren ist nicht erfolgt.

Zwar hat die Berufsgenossenschaft dem Kläger eine mehrwöchige Frist zur Anhörung eingeräumt. Sie hat es indes versäumt, ihm bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu erläutern, warum sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit trotz unveränderter Unfallfolgen zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung einer Dauerrente nun geringer eingeschätzt hat als zu Beginn der vorläufigen Rente.

Die zur Vermeidung einer Umwandlung der vorläufigen Rente in eine Dauerrente fehlerhaft nicht eingehaltene Anhörungsfrist kann in einem Widerspruchsverfahren nur geheilt werden, wenn dem Versicherten die Tatsachen nachvollziehbar aufgezeigt werden, die nach Ansicht des Unfallversicherungsträgers zur Herabstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit führen. Der bloße Hinweis auf die allgemein anerkannten Erfahrungswerte ist hierfür nicht ausreichend. Der Anhörungsmangel ist auch im nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht geheilt worden. Anhaltspunkte für ein insoweit erforderliches mehr oder minder förmliches Anhörungsverfahren sind nicht vorhanden.

BSG, Urteil vom 3.12.2024, B 2 U 13/22 R

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/ Verhandlungen/DE/2024/ 2024_12_03_B_02_U_13_22_R.htm