RICHARD BOORBERG VERLAG

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27.05.2024

Neuberechnung einer großen Witwerrente ist rechtens

Sicherung des Lebensstandards des Hinterbliebenen auf bisherigem Niveau nicht maßgeblich

Der Besitzschutz der Hinterbliebenenrenten geht nicht so weit, dass eine nachträgliche Änderung der Hinterbliebenenrente schlechthin ausscheidet. Diese Änderungen können auch zu erheblichen Einschnitten für die Hinterbliebenen führen.

Der Kläger ist Witwer. Seine verstorbene Ehefrau war bereits einmal verheiratet. Zu ihren Gunsten wurden nach der Scheidung ihrer ersten Ehe Rentenanwartschaften ihres früheren Ehemannes in Höhe von monatlich etwa 1323 D-Mark übertragen. Sie bezog von der beklagten Rentenversicherung eine Regelaltersrente. Nach ihrem Tod bewilligte die Beklagte dem Kläger eine große Witwerrente.

Auf den nach dem Tod der Versicherten gestellten Antrag des früheren Ehemanns änderte das Familiengericht die Entscheidung über den Versorgungsausgleich dahingehend ab, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Daraufhin hob der Rentenversicherungsträger den bisherigen Witwerrentenbescheid auf und berücksichtigte die im Wege des Versorgungsausgleich übertragenen Entgeltpunkte nicht mehr.

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Der Gesetzgeber habe der Sicherung des Lebensstandards auf bisherigem Niveau Vorrang vor einer Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs eingeräumt.

Die Revision der Beklagten beim BSG hatte Erfolg. Die Beklagte hat den Witwerrentenbescheid hinsichtlich der Rentenhöhe zu Recht aufgehoben und die im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Entgeltpunkte nicht mehr berücksichtigt. Hierzu war sie nach § 101 Absatz 3 SGB VI ermächtigt. Denn von dem Tatbestandsmerkmal "Rente der leistungsberechtigten Person" wird auch die Hinterbliebenenrente erfasst. Hinterbliebene haben nach §§ 46 ff. SGB VI eigene Ansprüche und sind damit leistungsberechtigte Personen gleichgestellt.

Der von § 88 Absatz 2 Satz 1 SGB VI gewährte Besitzschutz steht dem Abzug der dem ursprünglichen Versorgungsausgleich entstammenden Entgeltpunkte nicht entgegen. Zwar sind die Voraussetzungen der Besitzschutznorm erfüllt. Die Beklagte legte der Hinterbliebenenrente zunächst auch die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte der verstorbenen Versicherten zugrunde. Der Besitzschutz der Hinterbliebenenrenten geht jedoch nicht so weit, dass eine nachträgliche Änderung schlechthin ausscheidet. Dies folgt bereits aus der Gesetzesbegründung zu § 88 SGB VI. In der besonderen Situation einer Abänderung des Versorgungsausgleichs sieht § 101 SGB VI eine spezielle Möglichkeit der Reduzierung von Entgeltpunkten vor.

Durch diese Regelung werden die familienrechtlichen Gestaltungen im Rentenversicherungsrecht nachvollzogen. Dass sich dabei - wie hier - erhebliche Einschnitte für die Hinterbliebenen ergeben können, folgt aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung. Würde man die zivilrechtliche Entscheidung nicht berücksichtigen, würde die Hinterbliebenenrente einen größeren Schutz genießen als die Versichertenrente zu Lebzeiten der Versicherten.

BSG, Urt. v. 18.4.2024, B 5 R 10/22 R

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/ DE/2024/2024_04_18_B_05_R_10_22_R.html