Die 1940 geborene und in einem Pflegeheim wohnende Klägerin erfüllte aufgrund einer Schwerbehinderung und der Zuerkennung des Merkzeichens G die Grundvoraussetzungen für eine unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr. Durch eigenes Einkommen verfügte sie zwar über hinreichende Mittel, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Heimkosten zahlte jedoch nach Anrechnung des noch verbleibenden aber unzureichenden Einkommens der Sozialhilfeträger. Die Klägerin verwendete die ihr noch verfügbaren Eigenmittel zur Beschaffung der ein Jahr gültigen Wertmarke zur unentgeltlichen Nutzung des ÖPNV in Höhe von 91 Euro, deren Erstattung in Höhe von 91 Euro sie begehrt.
Das Landessozialgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis und habe keinen Anspruch auf laufende Sozialhilfeleistungen für den Lebensunterhalt. Der Bezug von Hilfe zur Pflege genüge nicht.
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts entschied. Zwar erfasst der Befreiungstatbestand des § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX seinem Wortlaut nach unter anderem nur Bezieher von den Lebensunterhalt sichernden laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Trotzdem genügt als Anspruchsvoraussetzung über den Wortlaut hinaus auch der Erhalt von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, jedenfalls soweit Anspruch auf Hilfe zur Pflege in einem Alten- und Pflegeheim besteht. Dies folgt aus einer analogen Anwendung der Norm auf hilfebedürftige Heimbewohner, die durch den Bezug von Hilfe zur Pflege dem Existenzsicherungssystem der Sozialhilfe zugehörig sind.
Durch den Systemwechsel vom Bundessozialhilfegesetz zum SGB XII im Jahr 2005 ist insoweit eine planwidrige Regelungslücke im SGB IX entstanden, indem die lediglich Hilfe zur Pflege beziehenden Heimbewohner aus dem Befreiungstatbestand herausgefallen sind, ohne dass ersichtlich ist, dass diese Rechtsfolge vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Ein sachlicher Grund für den Ausschluss dieser hilfebedürftigen Heimbewohner erschließt sich nicht.
BSG, Urteil vom 19.9.2024, B 9 SB 2/23 R