RICHARD BOORBERG VERLAG

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21.05.2024

Keine Fahrtkostenerstattung für stufenweise Wiedereingliederung

Eine stufenweise Wiedereingliederung ist keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation

Ein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten besteht nicht, wenn die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des § 60 Abs. 5 SGB V  nicht vorliegen. Es muss einen Zusammenhang der Fahrten mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation (Reha) geben.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und als Arbeitnehmer beschäftigte Kläger war vom 6.8. bis 16.12.2018 arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Maßnahmen der Rehabilitation (Reha) in einer ambulanten oder stationären Einrichtung nahm er nicht in Anspruch.

Am 22.11.2018 erstellte die behandelnde Hausärztin für den Kläger einen ärztlichen Wiedereingliederungsplan über eine stufenweise Wiedereingliederung. Der Plan ging sodann bei der Beklagten ein, die ebenfalls zustimmte. Der Kläger erschien im Zeitraum der stufenweisen Wiedereingliederung an zehn Arbeitstagen an seinem Arbeitsplatz.

Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Fahrkosten während der stufenweisen Wiedereingliederung lehnte die Beklagte ab.

Das Sozialgericht hat den ablehnenden Bescheid aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 85,00 Euro Fahrkosten verurteilt. Das Landessozialgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das Bundessozialgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten zum Arbeitsplatz während der stufenweisen Wiedereingliederung.

Ein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten besteht nicht. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 60 Abs. 5 SGB V liegen nicht vor. Es fehlt an einem Zusammenhang der Fahrten mit einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation (Reha). Die in § 74 SGB V genannte stufenweise Wiedereingliederung ist keine Leistung zur medizinischen Reha. Sie bezweckt die Wiedereingliederung arbeitsunfähiger Versicherter in das Erwerbsleben.

Die stufenweise Wiedereingliederung als Instrument zur Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit findet am Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers in einem vom Arbeitsvertrag losgelösten Wiedereingliederungsverhältnis statt. Dem arbeits- und sozialrechtlich weiterhin arbeitsunfähigen Arbeitnehmer soll die Wiederaufnahme seiner Beschäftigung an seinem Arbeitsplatz - gegenüber dem arbeitsvertraglich Geschuldeten - in reduziertem Umfang ermöglicht werden. Sie ist damit nicht auf die in § 11 Absatz 2 SGB V beschriebenen Ziele, eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, ausgerichtet.

Für Leistungen zur medizinischen Reha, die auf die Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sind, sind die Rentenversicherungsträger die regelmäßig zuständigen Reha-Träger. Die Beklagte ist auch nicht als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 Absatz 2 Satz 1 SGB IX zur Erstattung der Fahrkosten verpflichtet.

Die Rentenversicherungsträger erbringen gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 SGB VI die in den §§ 42-47a SGB IX vorgesehenen Leistungen zur medizinischen Reha. Die stufenweise Wiedereingliederung wird zwar in § 44 SGB IX genannt. Eine ohne Zusammenhang mit anderen Leistungen zur medizinischen Reha durchgeführte (isolierte) stufenweise Wiedereingliederung nach diesen Vorschriften ist aber keine Leistung zur medizinischen Reha.

Die Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung am Arbeitsplatz beinhaltet keine Sach-, Dienst- oder Geldleistung eines Reha-Trägers und ist damit keine Sozialleistung eines Reha-Trägers im Sinne des § 11 SGB I.

BSG, Urt. vom 16.5.2024, B 1 KR 7/23 R
 

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/ DE/2024/2024_05_16_B_01_KR_07_23_R.html