Der Kläger war Gastronomieleiter einer Catering‑GmbH, die eine Krankenhausküche betrieb. Die Krankenhausverwaltung bat die Catering‑GmbH, Mitarbeiter zu melden, die beabsichtigten, an einer Schutzimpfung gegen Influenza A/H1N1 (Schweinegrippe) teilzunehmen. Die Teilnahme sei freiwillig; es stehe jedem frei. Impfberechtigt seien alle Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Patientenkontakt hätten. Der Kläger nahm an der betrieblich organisierten Impfung teil. Jahre später traten Fieberschübe auf, die er auf die Impfung zurückführt.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, einen Arbeitsunfall festzustellen, weil Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit grundsätzlich dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnen seien. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei arbeitsrechtlich nicht zur Impfung verpflichtet gewesen.
Die Revision des Klägers beim BSG war erfolgreich. Der Senat konnte jedoch nicht entscheiden, ob die Impfung des Klägers am 9. November 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Eine freiwillig durchgeführte Impfung kann ein Unfallereignis sein, wenn eine Impfkomplikation eingetreten ist, die nach neuestem medizinischen Erkenntnisstand auf den konkret verwendeten Impfstoff zurückzuführen ist. Ausschlaggebend ist der innere Zusammenhang der Impfung mit der versicherten Tätigkeit: Die Impfung muss wesentlich betrieblichen Zwecken dienen.
Eine planmäßig und freiwillig durchgeführte Impfung kann ein Unfallereignis sein, wenn sie zu einem Gesundheitserstschaden führt. Ein Unfallereignis erfordert weder Plötzlichkeit noch Unfreiwilligkeit, wie der Senat bereits zur Organspende grundlegend verdeutlicht hat. Entsprechend den Besonderheiten einer Impfung muss im Einklang mit dem Impfschadensrecht aber eine Impfkomplikation eingetreten sein. Alle medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, sind auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands bezogen auf den konkret verwendeten Impfstoff zu beantworten.
Hinzukommen muss der innere Zusammenhang der konkreten Impfung mit der versicherten Tätigkeit. Dieser ist nicht schon dann gegeben, wenn die Impfung vom Arbeitgeber empfohlen, finanziert und anschließend im Betrieb durchgeführt wird. Für allgemeine Grippeschutzimpfungen im Betrieb hat der Senat dies bereits entschieden. Ein innerer Zusammenhang kann aber angenommen werden, wenn die Teilnahme an der Impfung wesentlich betrieblichen Zwecken dient. In einem Krankenhaus mit einem gesteigerten Interesse an einem möglichst umfassenden Gesundheitsschutz für Patienten kann dies auch dann der Fall sein, wenn die Impfung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich war oder der Beschäftigte dies aufgrund besonderer Umstände berechtigterweise annehmen durfte.
Die Ständige Impfkommission sah sich am 12. Oktober 2009 zu einer besonderen Impfempfehlung neben der saisonalen Influenza-Impfempfehlung veranlasst, die sich an erster Stelle an alle Beschäftigten in der unmittelbaren Gesundheitsversorgung richtete, darunter neben Ärzten und Pflegepersonal auch andere Beschäftigte mit Patientenkontakt. In Anbetracht der zeitlichen Abläufe, der Neuartigkeit und Dringlichkeit ist es nicht ausgeschlossen, dass sich Beschäftigte im Gesundheitswesen in der Akutphase dieser neuartigen Influenza aus ihrem konkreten Beschäftigungsverhältnis heraus zum Schutz der Patienten zur Impfung berechtigt und veranlasst sahen.
Ob dies indes auch beim Kläger der Fall war, konnte der Senat mangels Feststellungen des LSG zu diesen besonderen Umständen und zur Handlungstendenz des Klägers nicht beurteilen.
BSG, Urteil vom 27.06.2024, B 2 U 3/22 R