Grundbuchamt gestattet nicht die Bildung von Teileigentum (Tiefgaragenstellplätze) an mehreren Grundstücken
Der Bundesgerichtshof traf mit Beschluss vom 15.6.2023 eine richtungsweisende Entscheidung zu verschiedenen Rechtsfragen des Gebäudeüberbaus (Zum Überbau und den offenen Rechtsproblemen finden Sie Informationen in ZIV 2021, 20 (Info-Kasten: „Überbau – eine spannende Sache“). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt kam es zu einem gewollten Überbau. Ausgangslage war die Errichtung eines Mehrgebäudekomplexes mit einer Tiefgarage, insgesamt bestehend aus vier Grundstücken. Auf einem Grundstück errichtete die Eigentümerin eine Tiefgarage mit Abfahrt. Das Grundstück (nachfolgend: TG-Grundstück) war viel zu klein für die geplante Tiefgarage. Unterirdisch erstreckte sich diese auf die drei weiteren, benachbarten Grundstücke. Zur rechtlichen Absicherung des Überbaus wurde in den Grundbüchern der benachbarten drei Grundstücke eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Die drei benachbarten Grundstücke (nachfolgend: Hausgrundstücke) wiederum hatten nicht genug Platz, um die drei Mehrfamilienhäuser vollständig aufzunehmen.
Zu diesem Zweck wurde wiederum eine Grunddienstbarkeit auf dem TG-Grundstück eingetragen, welches das Recht zum Überbau gestattete, wobei der Baukörper des jeweiligen Wohnhauses direkt auf die Tiefgaragendecke aufbauen sollte. Die Eigentümerin der vier Grundstücke beantragte nun beim Grundbuchamt des AG Wiesbaden die Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz unter Beifügung einer Teilungserklärung und einer Abgeschlossenheitsbescheinigung für das Tiefgaragengrundstück. Dabei sollte die Tiefgarage durch die einzelnen Stellplätze zu Teileigentumseinheiten aufgeteilt werden. Das Grundbuchamt wies den Teilungsantrag mit der Begründung zurück, § 1 Abs. 4 WEG gestattet nicht die Bildung von Teileigentum an mehreren Grundstücken. Hiergegen legte die Eigentümerin Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht (OLG Frankfurt) bestätigte das Grundbuchamt in dessen rechtliche Bewertung. Hiergegen legte die Eigentümerin Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof ein.
Die Richter des V. Zivilsenats entschieden, dass mit der gegebenen Begründung die Eintragung der Aufteilung nicht abgelehnt werden dürfe. Im Ergebnis zutreffend habe das OLG Frankfurt gesehen, dass die Teilung durch den Eigentümer nach § 8 Abs. 1 WEG bzw. § 1 Abs. 4 WEG nur bezogen auf ein einzelnes Grundstück zulässig sei. Zutreffend sei auch, dass eine Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass das Gebäude teilweise über eine Grundstücksgrenze hinaus rage, aber weiterhin nach §§ 93, 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks (hier: TG-Grundstück) bleibe.
Zutreffend sei ferner, dass ein Überbau dann wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks sei, wenn er mit Zustimmung der Nachbareigentümer errichtet wurde. Das Gebäude bleibe dann wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, von dem aus überbaut worden sei. Gleichgültig sei dabei, ob der Überbau über oder unter der Erdoberfläche erfolge (vgl. BGH-Urteil vom 22.5.1981, NJW 1982, 756, BGH-Urteil vom 25.2.1983, NJW 1983, 2022). Welches Grundstück als Stammgrundstück anzusehen sei, richte sich nach den Absichten und wirtschaftlichen Interessen der Erbauer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Größe und Wichtigkeit des überbauten Gebäudeteiles im Verhältnis zu dem auf dem Grundstück des Erbauers verbliebenen „Stammgebäudeteils“ spielten keine Rolle (vgl. BGH-Urteil vom 22.2.1974, BGHZ 62, 141, BGH-Urteil vom 23.2.1990, BGHZ 110, 298).
Komplizierter werde die Rechtslage, wenn bei den betroffenen Grundstücken mehrere Gebäude technisch ineinandergriffen. Hier sei zu prüfen, ob ein einheitliches Gebäude vorliege oder nicht (vgl. BGH-Urteil vom 22.5.2981, NJW 1982, 756, BGH-Urteil vom 4.121987, NJW-RR 1988, 458, BGH-Urteil vom 2.6.1989, MDR 1989, 1089, BGH-Urteil vom 23.2.1990, BGHZ 110, 298). Ob ein einheitliches Gebäude anzunehmen sei, richte sich nach der Verkehrsanschauung. Die eigentumsrechtliche Zuordnung werde insoweit unterschiedlich beurteilt. Zum Teil werde angenommen, dass eine Tiefgarage dann nicht mehr als wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks zugeordnet werden könne, wenn auf Teilen der überbauten Tiefgarage Gebäude errichtet würden. Die Tiefgarage
könne dann nicht mehr Gegenstand besonderer Rechte (des Stammgrundstücks) sein, weil die Tiefgarage baustatisch für das aufstehende Gebäude unabdingbar sei, § 93 BGB (vgl. Oppermann, DNotZ 2015, 662).
Eine andere Auffassung, sehe in der statischen Grundlage nur eines von mehreren Beurteilungskriterien. Auch die Verkehrsanschauung und eine natürlich-wirtschaftliche Betrachtungsweise sei als Korrektiv angebracht (vgl. Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI, 2018, 201, Tersteegen, RNOtZ 2006, 433).
Der BGH schloss sich der letztgenannten Auffassung an. Wann eine einheitliche Sache vorliege, sei nicht ausdrücklich im BGB geregelt. § 90 BGB bestimme lediglich, dass Sachen körperliche Gegenstände seien. Auch § 93 BGB, wonach Bestandteile einer Sache, die nicht voneinander getrennt werden könnten, ohne dass der eine Bestandteil oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert werde, nicht Gegenstand besonderer Rechte seien könnten, definiere nicht, was eine einheitliche Sache sei. Maßgeblich, ob eine einheitliche Sache vorliege, sei nach der Rechtsprechung des BGH die Verkehrsanschauung, die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Betrachters (vgl. BGH-Urteil vom 22.10.2021, V ZR 69/20 (Zur Sonderrechtsfähigkeit von Fotovoltaik-Freilandanlagen) – ZIV 2021, 85). Bei einem sogenannten verschachtelten Überbau, also bei einem wechselseitigen Überbau einzelner Geschosse von zwei Gebäuden habe der V. Zivilsenat die statische Verbundenheit nicht als entscheidendes Kriterium angesehen. Vielmehr habe er darauf abgestellt, welchem Gebäude die Geschosse bei natürlicher und wirtschaftlicher Betrachtung zuzuordnen seien. Sei der übergebaute Teil eines Gebäudes nach seiner Lage, baulichen Gestaltung und wirtschaftlichen Nutzung einem bestimmten Gebäude zuzuordnen, sei er auch eigentumsrechtlich diesem Gebäude zugehörig, und zwar selbst dann, wenn er statisch von einem anderen Gebäude abhängig sei. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei dem Gebäude um eine Tiefgarage handele. Erstrecke sich danach die Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, führe allein die bautechnische Verbindung oder statische Abhängigkeit mit aufstehenden Gebäuden nicht dazu, dass ein einheitliches Gebäude entstehe. Dies gelte auch, wenn die Gebäude durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und Haustechnik miteinander verbunden seien oder es weitere Zufahrten zur Tiefgarage von anderen Grundstücken gäbe.
Das Grundbuchamt habe aufgrund der eingereichten Unterlagen (Teilungserklärung und Abgeschlossenheitsbescheinigung) daher ohne weitere Nachweise davon ausgehen müssen, dass der Tiefgaragenbaukörper eigentumsrechtlich dem Tiefgaragengrundstück als Stammgrundstück vollständig zuzuordnen sei. Eine Aufteilung mehrere Grundstücke nach WEG liege infolgedessen nicht vor, § 1 Abs. 4 WEG. Die Akte wurde daher dem Grundbuchamt unter Aufhebung des Beschlusses zurückgesandt.
BGH, Beschluss vom 15.06.2023, V ZB 12/22