RICHARD BOORBERG VERLAG

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28.04.2025

Aufwendungen einer Optionskommune für Widerspruchssachbearbeiter im SGB II sind vom Bund in tatsächlicher Höhe zu erstatten

Richtungsweisende Entscheidung des BSG für künftige Streitigkeiten zwischen Bund und Optionskommunen

Der Bund hat einer Kommune Aufwendungen für das Personal zu erstatten, das ausschließlich mit der Bearbeitung von Widersprüchen im SGB II befasst ist. Die Erstattung hat in tatsächlicher Höhe zu erfolgen und nicht nur in Form einer Pauschale.

Der beklagte Landkreis ist als sogenannte Optionskommune als Träger der Aufgaben nach dem SGB II zugelassen (zugelassener kommunaler Träger). Wegen der hierdurch angefallenen Aufwendungen rief er für das Haushaltsjahr 2018 im automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) Bundesmittel für Verwaltungskosten in Höhe von 3 412 641,54 Euro ab. Insgesamt meldete er Verwaltungskosten in Höhe von 3 558 769,14 Euro an, von denen die Klägerin nur 3 371 097,92 Euro anerkannte. Beanstandet wurde auch ein Betrag in Höhe von 152 521,09 Euro für den Einsatz von vier Widerspruchssachbearbeitern im Aufgabenbereich des SGB II. Die Aufwendungen hierfür seien nicht wie geschehen in tatsächlich angefallener Höhe als Personalkosten abzurechnen (sogenannte Spitzabrechnung). Vielmehr seien sie den Personalgemeinkosten zuzuordnen und durch eine Pauschale abgegolten.

Das Landessozialgericht hat die auf Erstattung der über den anerkannten Betrag hinaus abgerufenen 41 543,62 Euro gerichtete Klage abgewiesen, denn die Kosten für den Einsatz der Widerspruchssachbearbeiter seien zutreffend als Personalkosten "spitz" abgerechnet worden.

Mit ihrer Revision rügt der Bund eine Verletzung von § 6b Absatz 2 Satz 1, Absatz 5 SGB II in Verbindung mit §§ 10, 13 Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift. Der Beklagte sei zur Erstattung des mit der Klage geltend gemachten Betrags verpflichtet. Das Landessozialgericht habe die im Haushaltsjahr 2018 angefallenen Aufwendungen für die Widerspruchssachbearbeitung zu Unrecht den in tatsächlich anfallender Höhe "spitz" abrechenbaren Personalkosten und nicht den pauschaliert abzurechnenden Personalgemeinkosten zugeordnet. Dies widerspreche den für den Beklagten und das Gericht verbindlichen Vorgaben der Kommunalträger-Abrechnungs-verwaltungsvorschrift.

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung weiterer von diesem im Haushaltsjahr 2018 als Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgerufener Bundesmittel.

Einzig in Betracht kommende Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 6b Absatz 5 Satz 1 SGB II. Danach kann das Bundministerium für Arbeit und Soziales von einem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Die umstrittenen, über die von der Klägerin anerkannten Verwaltungskosten hinausgehenden Bundesmittel hat der Beklagte jedoch nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Vielmehr waren ihm diese Mittel durch § 6b Absatz 2 SGB II vermögensrechtlich endgültig zugeordnet. Diese Norm regelt zwar lediglich die Kostentragung und keine Erstattungsansprüche der Optionskommunen gegen den Bund, die hierin angeordnete Kostentragung bildet aber den Rechtsgrund für ein "Behaltendürfen" der vom zugelassenen kommunalen Träger abgerufenen Mittel.

Der Beklagte war auch berechtigt, die Aufwendungen für die vier Widerspruchssachbearbeiter gegenüber der Klägerin als Personalkosten in tatsächlicher Höhe ("spitz") und nicht als pauschalierte Personalgemeinkosten abzurechnen.

Der Bund trägt die Kosten für die grundsätzlich in seine Zuständigkeit fallenden Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dies gilt auch dann, wenn Kommunen als sogenannte Optionskommunen allein für die Aufgabendurchführung zuständig sind. Die Kosten des von der Optionskommune eingesetzten Personals werden zum Teil als Personalkosten in tatsächlicher Höhe abgerechnet. Teilweise werden diese Kosten als Gemeinkosten durch eine Pauschale abgegolten. Wie das Bundessozialgericht entschieden hat, sind Personalkosten für die Bearbeitung von Widersprüchen in tatsächlicher Höhe abzurechnen, wenn das dafür eingesetzte Personal ausschließlich mit Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II betraut ist. Denn die Bearbeitung von Widersprüchen und die Vertretung in sozialgerichtlichen Verfahren gehören zum Kernbereich der Leistungserbringung nach dem SGB II. Demgegenüber sind die durch Pauschalleistungen des Bundes abgegoltenen Bereiche dadurch gekennzeichnet, dass sie gerade keinen direkten Bezug zur Erbringung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben. Sie haben, anders als die Widerspruchssachbearbeitung, nur eine nicht fachspezifische Unterstützungsfunktion.

BSG, Urteil vom 26.3.2025, B 4 AS 4/24 R

Quelle:
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/ Pressemitteilungen/DE/2025/2025_09.html