Die Bundespolizei als kooperativer Akteur im Sicherheitsgefüge
Polizei ist Ländersache. Dieser eherne Grundsatz aus Art. 30 des Grundgesetzes wird durch das verfassungsrechtlich normierte sonderpolizeiliche Aufgabengefüge der Bundespolizei ergänzt. Hieran wird sich auch mit einem neuen modernen Bundespolizeigesetz – so es denn tatsächlich irgendwann einmal den parlamentarischen Raum passiert – nichts ändern.
Diesen Rahmen vergegenwärtigend bringt sich die Bundespolizei von jeher als kooperativer Akteur ins bundesrepublikanische Sicherheitsgefüge ein; dies in vielfältigen, teils institutionalisierten Zusammenarbeitsformen sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene. Gerade mit Blick auf ihre Prägung als proaktive Fahndungspolizei sowie ihre Zuständigkeiten zur Bekämpfung deliktübergreifend ausgeprägter Kriminalitätsphänomene der irregulären Migration und Schleusungskriminalität kommt diesem vernetzten und kooperativen Ansatz erfolgskritische Bedeutung zu.
Dabei stellt insbesondere die Schleusungskriminalität ein wesentliches – und in Zeiten weiter zunehmenden Migrations- und damit verbundenen Nachfragedrucks nach Schleuserdienstleistungen bedeutendes – Handlungsfeld der Organisierten Kriminalität dar. Die Bundespolizei agiert so als (phänomen-)spezialisierter Akteur bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.
Ihre dahingehende Erfolgsbilanz gründet sich auch auf der Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder und des Bundes im nationalen Gefüge sowie polizeilichen Partnern im internationalen Raum. Diese Kooperation gilt es, mit sich wandelnden Herausforderungen und Schwerpunktsetzungen kontinuierlich, aber auch aufgabenkritisch fortzuentwickeln.
Operative Kooperationsformen[1]
Die operativen Kooperationsformen der Bundespolizei haben sich in den vergangenen 30 Jahren – und verstärkt durch die sich ab 2014/2015 dynamisierende Migrationslage – sehr vital entwickelt. Sie bedienen in der Regel die Handlungsfelder Einsatz, Auswertung, Ermittlung und Fahndung.
Ihr Ziel ist teilweise ganz unmittelbar die Bekämpfung der schweren und Organisierten (Schleusungs-)Kriminalität. Teilweise dienen sie diesem Ziel nur mittelbar; etwa durch eine phänomenorientierte Fahndungs- und Auswertungsarbeit. In der Folge werden die im Kontext der OK-Bekämpfung relevanten Kooperationsformen überblicksartig dargestellt.
Gemeinsame Einsatzgruppen
Wo sich in gemeinsamen Gefahrenräumen – so etwa in grenznahen Fahndungsräumen oder an Flug- und Bahnverkehrsknotenpunkten – Kriminalitätsschwerpunkte entwickeln, ist gemeinsames Handeln von Bundespolizei und der jeweiligen Landespolizei geboten. Dies folgt dem Ansatz, entsprechende Phänomene konzentriert und synergetisch zu bekämpfen, Erkenntnisse zu bündeln und wechselseitige Verdrängungseffekte zu vermeiden.
Hierfür haben sich Gemeinsame Einsatzgruppen als wirksames Mittel erwiesen. In diesen wird Personal beider Behörden gebündelt und in einem gemeinsamen, gleichwohl einheitlichen Dienstregime eingesetzt. So sind hier etwa bei entsprechend gemischter Teamplanung gefahrenabwehrrechtliche Befugnisse beider beteiligten Behörden anwendbar. Grundlage bilden jeweils behördenvertragliche Regelungen im Rahmen der auf ministerieller Ebene bestehenden Bund-Land-Sicherheitskooperationsvereinbarungen.[2]
Mit Blick auf die OK-Bekämpfung können solche gemeinsamen Einsatz-Gruppen als „boots-on-the-ground“ der Generierung von Kontrolldruck gegen entsprechende Milieus, der gezielten Erhöhung des Fahndungsdrucks gegen Tat- und Täterstrukturen sowie der Erkenntnisgewinnung und -verdichtung für Strukturermittlungen dienen.
Gemeinsame Fahndungsgruppen
Einem ähnlichen Ansatz folgen Gemeinsame Fahndungsgruppen und Diensteinheiten (GFG/GDE), die sich in den vergangenen Jahren primär in Bundesländern mit einer Schengen-Binnengrenze etabliert haben.
Hierbei werden die Fahndungsaktivitäten von Bundes-, Länderpolizei und Zoll zu delikts- und behördenübergreifenden Erscheinungsformen der grenzüberschreitenden Kriminalität in einem gemeinsamen Fahndungsraum gebündelt.[3] Im Freistaat Sachsen werden diese Fahndungskooperationen seit dem Jahr 2018 durch drei sog. Fahndungs- und Kompetenzzentren (FKZ) flankiert. Diese ergänzen die bereits bestehenden, vielfältigen Kooperationsformen.
Ihre Aufgabe besteht zunächst in der Informationssammlung, Informationsbewertung und der daraus resultierenden Initiierung von gemeinsamen, übergreifenden Fahndungsmaßnahmen der Bundespolizei und der Polizei des Freistaates Sachsen.[4] Eine anlassbezogene Vernetzung mit OK-Dienststellen beider Behörden kann damit einhergehen.
Gemeinsame Auswertung und Ermittlung
Im kriminalpolizeilichen Bereich bilden ermittlungs- und auswertungsbezogene Kooperationsformen den Kern der polizeilichen Bund-Länder-Zusammenarbeit in OK-relevanten Phänomenbereichen. Hierzu zählen etwa ständige und temporäre Gemeinsame Ermittlungsgruppen (Schleuser) (GEG/GES), Gemeinsame Koordinierungs- und Auswertestellen, temporäre phänomenbezogene besondere Aufbauorganisationen (BAO) und gemeinsame Ermittlungsbüros.
Ziele sind stets die Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen von Bundespolizei, Länderpolizei, Zoll und teilweise der Kommunen, um ganzheitlich behördenübergreifend zu ermitteln und Erkenntnislagen zusammenzuführen. Zudem werden so Schnittstellen sowie Informationsverluste reduziert und einheitliche Bearbeitungsstandards gepflegt.
Einsatz von ständigen Verbindungspersonen
Dem gleichen Zweck dient auch die Entsendung von Verbindungspersonen der Bundespolizei in Landeskriminalämter. So unterhält die Bundespolizei auf dieser Basis bei vier Landeskriminalämtern ständige Verbindungsbeamte sowie bei drei Landeskriminalämtern weitergehende Verbindungsstellen für einen optimierten Informationsaustausch sowie die Vorbereitung einer gemeinsamen Strategiebildung.
Dem operativen phänomenbezogenen Informationsaustausch dient der Einsatz von Verbindungsbeamten der Bundespolizei beim Bundesamt für Migration- und Flüchtlinge seit Herbst 2012.
Kooperation an Erstaufnahmeeinrichtungen und AnkER-Zentren
Einen Sonderfall der ermittlungs- und auswertungsbezogenen Kooperation und zugleich eine zeitgemäße Fortentwicklung der Zusammenarbeit stellt das Engagement der Bundespolizei an mittlerweile fünf (Landes-)Erstaufnahmeeinrichtungen bzw. (funktionsgleichen) AnkER-Zentren in Suhl, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Magdeburg dar.
Hier ist die Bundespolizei im Verbund mit der jeweils zuständigen Landespolizeibehörde vor Ort mit Ermittlungsbeamten präsent und bringt sich im Rahmen der ihr nach § 12 Bundespolizeigesetz obliegenden Strafverfolgungszuständigkeit für die Bekämpfung irregulärer Migration und Schleusungskriminalität in die qualifizierte Erstbearbeitung neu ankommender Migranten ein.
Hierdurch werden insbesondere breite und wertige Information zu Schleusungshintergründen gewonnen und verdichtet, die sodann die Grundlage für weiterführende Strukturermittlungen bis hinein in OK-Täterstrukturen bilden.
Gemeinsame Vermögensabschöpfung
Ein wesentlicher Schlüssel zu einer erfolgreichen OK-Bekämpfung ist eine qualifizierte Finanzermittlung und Vermögensabschöpfung, die der sog. „Spur des Geldes“ folgt. Hierfür erforderliche personelle Ressourcen sind nur mit hohem Fortbildungs- und Spezialisierungsaufwand zu generieren. Eine kriminalpolizeiliche Herausforderung, mit der sich alle Polizeien des Bundes und der Länder konfrontiert sehen.
Gerade hier erscheint ein symbiotisches Zusammenwirken in Form der Bündelung dieser knappen Spezialkompetenzen sehr sinnvoll. Bisher wird dies nur zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Freistaates Sachsen durch eine „Gemeinsame Vermögensabschöpfung“ beim Landeskriminalamt Sachsen gelebt.
Dort agiert im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung ein Finanzermittler der zuständigen bundespolizeilichen OK-Dienststelle. Er betreut von dort zuvorderst bundespolizeiliche OK-Verfahren, wirkt jedoch auch an landespolizeilichen Verfahren mit. Ebenso unterstützen Finanzermittler der Landespolizei bedarfsgerecht bundespolizeiliche Verfahren.
So entsteht ein engmaschiger behördenübergreifender Austausch zu den Finanzströmen der fokussierten OK-Gruppierungen. Ferner werden die Finanzermittler beider Behörden durchgehend mit Verfahren mit hohem OK-Potenzial befasst und bleiben damit auch fachlich stets „up-to-date“.
Internationale operative Zusammenarbeit
Angesichts der stets internationalen Dimension der Schleusungskriminalität hat die Bundespolizei binnen der letzten Dekade – die grenzpolizeiliche Vorverlagerungsstrategie im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung ergänzend – ihre Aktivitäten in der internationalen operativen Zusammenarbeit deutlich ausgebaut.
Seit 2012 wirkt sie regelmäßig an Joint-Investigation-Teams mit Justiz- und Polizeibehörden anderer europäischer Staaten mit. Eine enge Einbindung in operative Kooperationsstrukturen von EUROPOL ergänzt dies.
Für die Bekämpfung der organisierten Schleusungskriminalität hat die Behörde seit 2022 im EMPACT-Politikzyklus des Rates für Justiz und Inneres der Europäischen Union eine koordinierende „Driver-Funktion“ inne.
Überdies bringt sie sich als sog. „Action-Leader“ der operativen Aktionen RISK (Bekämpfung von Behältnisschleusungen), JETS (Verbesserung der Fähigkeiten zum Erkennen von Dokumentenkriminalität) und VISA-FRAUD (Visaerschleichung) gestaltend in die europäische Zusammenarbeit ein.
(…)
[1] Vgl. hierzu ausführlich: Pfau, Die Polizei 10/2021, S. 437 ff.
[2] Beispiele hierfür vgl. Pfau, Die Polizei 10/2021, S. 439.
[3] Vgl. Kepura/Niechziol, Deutsches Polizeiblatt 1/2012, S. 16.
[4] Vgl. Bundesministerium des Innern; Pressemitteilung vom 12.08.2018.