RICHARD BOORBERG VERLAG

×

12.09.2022

Duldung des Überbaus für eine Wärmedämmung des Nachbarn

NachbarG Berlin sieht keine Einschränkungen der Duldungspflicht vor

Stellt eine mögliche Innendämmung keine Alternative dar, so besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung und der Betretung des Nachbargrundstücks zwecks deren Anbringung.

Die Streitparteien des späteren Gerichtsverfahrens waren Nachbarn in Berlin. Die beiden Gebäude, die jeweils an der Grenze aneinandergebaut wurden, waren unterschiedlich hoch. Das Gebäude der späteren Klägerin überragte das benachbarte Gebäude um über 7 Meter. Sie beabsichtigte ein hängendes Gerüst an der eigenen Giebelwand oberhalb des Gebäudes der Nachbarin anzubringen und so eine Dämmung von 16 cm über die Grundstücksgrenze hinaus anzubringen.

Die Nachbarin verweigerte die Duldung. Die danach eingereichte Klage zum Amtsgericht Pankow/Weißensee hatte Erfolg. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Berufungsgericht begründete sein Urteil mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Duldung, die in § 16a NachbarG Berlin normiert sei. Eine alternativ mögliche Innendämmung sei nach den Feststellungen des Sachverständigen im Rahmen der Beweiserhebung keine adäquate Alternative.

Das überzeugte die Nachbarin nicht. Sie ließ die Akten nach Karlsruhe zum BGH versenden, um das Vorhaben im Rahmen ihrer Revision abzuwehren. Der BGH bestätigte im Ergebnis die Vorinstanzen im Urteil vom 1.7.2022. Die Regelung in § 16a NachbarG Berlin gewähre der Klägerin einen Anspruch auf Anbringung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung. Der BGH äußerte allerdings Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Es sei zweifelhaft, ob der Berliner Landesgesetzgeber die grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Interessen des Nachbarn ausreichend berücksichtigt habe. Die Berliner Regelung sehe – anders als entsprechende Regelungen anderer Bundesländer – keinerlei Einschränkungen oder Ausnahmen der Duldungspflicht vor (vgl. bereits BGH-Urteil vom 2.6.2017, V ZR 196/17 – ZIV 2017, 34).

Die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens durch Vorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG erachtete der V. Zivilsenat gleichwohl nicht für veranlasst. Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG setze voraus, dass das Fachgericht nicht nur an der Verfassungsmäßigkeit zweifelt, sondern davon überzeugt sei (BVerfGE 138, 64). Habe das Gericht wie vorliegend gegeben lediglich Zweifel, sei die Vorlage unzulässig.

Es bestehe daher ein Anspruch auf Anbringung der Wärmedämmung. Ferner dürfe das Grundstück und das Dach der Nachbarin betreten werden, um das Gerüst anzubringen und die Arbeiten auszuführen. Dies folge aus dem sog. Hammerschlagsrechts nach § 17 NachbarG Bln. Durch die Errichtung eines hängenden Gerüsts werde dem Erfordernis einer schonenden Ausübung des Hammerschlagsrechts zudem Rechnung getragen, V ZR 23/21.

 

 

Quelle:
Zeitschrift für Immobilienverwaltungsrecht (ZIV) 4/2022 S. 57 f.