Der BGH hat im Urteil vom 17.3.2023 über die Rechtswidrigkeit einer baulichen Veränderungen zu entscheiden. Sehr lehrhaft setzt er sich mit verschiedenen Rechtsfragen zur baulichen Veränderung und Beseitigungsansprüchen auseinander.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft bestand nur aus zwei Einheiten, zwei benachbarten Doppelhaushälften in Bremen. Nach der Gemeinschaftsordnung von 1971 wurde jeweils ein Sondernutzungsrecht an den Gartenflächen begründet. Einer der Eigentümer begann noch vor Inkrafttreten des WEMoG mit dem Bau eines Swimmingpools in „seinem“ Garten. Nach Baubeginn erwirkte die Nachbarin zunächst eine einstweilige Verfügung, um einen Baustopp durchzusetzen. Im November 2020 erhob sie zudem Klage auf Unterlassung und Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Sie obsiegte in den ersten beiden Instanzen. Hiergegen wandte sich der bauwillige Eigentümer mit seiner Revision zum Bundesgerichtshof.
Im Urteil vom 17.3.2023 bestätigt der Karlsruher WEG-Senat die Vorinstanzen. Zutreffend sei das Berufungsgericht auch nach dem Inkrafttreten des WEMoG von einem Fortbestand der Prozessführungsbefugnis der Klägerin (anstelle des nunmehr zuständiges Verbandes) in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG ausgegangen (vgl. BGH-Urteil vom 7.5.2021, V ZR 299/19 – ZIV 2021, 44). Zudem habe die Nachbarin einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 20 WEG, weil der Eigentümer keinen, die bauliche Änderung genehmigenden Beschluss vorweisen könne.
Die Regelung in § 20 WEG, wonach jede bauliche Änderung eines einwilligenden Beschlusses bedarf sei zwar erst am 1.12.2020 und damit nach Baubeginn in Kraft getreten. In Bezug auf das materielle Recht weise das WEMoG allerdings keine Übergangsvorschrift auf (BGH-Urteil vom 16.7.2021, V ZR 284/19 – ZIV 2021, 76, BGH-Urteil vom 10.12.2021, V ZR 32/21 – ZIV 2022, 26) und der Sachverhalt sei auch noch nicht abgeschlossen, der Swimmingpool sei nicht fertig gestellt.
Der in Bau befindliche Swimmingpool stelle eine bauliche Änderung dar, für die das Genehmigungserfordernis nach § 20 Abs. 1 WEG gelte. Die Gemeinschaftsordnung von 1971 biete keine Grundlage für eine Gestattung der baulichen Änderung. Aus der bloßen Einräumung eines Sondernutzungsrechts folge nicht die Befugnis, auch bauliche Änderungen vorzunehmen (vgl. BGH-Urteil vom 7.2.2014, V ZR 25/13 – ZIV 2014, 23, BGH-Urteil vom 18.11.2016, V ZR 49/16 – ZIV 2017, 22). Soweit die Gemeinschaftsordnung im Übrigen auf die Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes verweist könne dahin stehen, ob die Rechtsansicht des bauwilligen Eigentümers zutreffend sei, dass nach damaligen Recht die Errichtung zustimmungsfrei gewesen wäre. Verweise eine Gemeinschaftsordnung auf das Gesetz sei regelmäßig von einer dynamischen Verweisung auszugehen und als Verweisung auf die aktuelle Gesetzesfassung zu verstehen.
Der Wohnungseigentümer könne auch bei Bestehen eines Gestattungsanspruchs nach § 20 Abs. 3 WEG diesen nicht dem Unterlassungsanspruch über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen halten. Nach § 20 Abs. 3 WEG könne jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Änderung gestattet werde, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte über das Maß geordneten Zusammenlebens hinaus beeinträchtigt würden, einverstanden seien. Es bestünde mithin ein Anspruch auf einen die geplante Änderung gestattenden Beschluss, wenn entweder kein Wohnungseigentümer in dieser Weise von der baulichen Änderung beeinträchtigt würde oder wenn alle so beeinträchtigten Miteigentümer ihre Zustimmung erklärten. Auch diese Gestattung bedürfe aber eines Beschlusses, der gerade nicht gefasst worden sei. Solange der bauwillige Eigentümer keinen genehmigenden Beschluss vorweisen könne, sei auch eine Berufung auf Treu und Glauben nicht zulässig. Diesen Beschluss müsse der Wohnungseigentümer entweder im Rahmen einer Mehrheitsentscheidung erwirken oder im Wege der Beschlussersetzungsklage durchsetzen, wenn es einen Anspruch auf Beschlussfassung gäbe.
Das absolute Beschlusserfordernis für bauliche Änderungen könne bestenfalls in den Fällen eine Ausnahme erfahren, in de-
nen ganz offensichtlich kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt sein könne, wie etwa beim Bohren von Dübellöchern in eine tragende Wand innerhalb des Sondereigentums.
Schließlich habe der bauwillige Eigentümer seiner Nachbarin auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten zu erstatten. Jeder Wohnungseigentümer habe nach § 14 Nr. 1 WEG die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten. Daran fehle es, weil das Beschlusserfordernis vor Beginn der baulichen Veränderung nicht eingehalten worden sei. Dies sei pflichtwidrig im Sinne von § 280 Abs. 1 , § 241 Abs. 2 BGB gewesen. Der Eigentümer habe daher den finanziellen Schaden, der der Nachbarin durch die Anwaltsbeauftragung entstanden war, zu ersetzen.
BGH, Urteil vom 17.3.2023 - V ZR 140/22