RICHARD BOORBERG VERLAG

×

16.05.2019

vhw

Zwischen Anpassung und Differenzmarkierung

Interview mit Bernd Hallenberg zum neuen Migrantenmilieu-Survey

Osterland - stock.adobe.com

Das Interesse am ersten Sinus-Migranten-Milieumodell von 2008 war bereits groß, der Einfluss auf die Sozialforschung ebenso. Zehn Jahre später aber schien es dem vhw erforderlich, das Modell der Lebenswelten und Grundorientierungen zu aktualisieren.

Die Gründe sind ebenso zahlreich wie naheliegend: Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist seit 2005 um mehr als ein Viertel gewachsen und stellt mit 19 Millionen Menschen 2018 knapp ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Sie umfasst Ausländer, Doppelstaater und deutsche Staatsangehörige mit und ohne eigene Zuwanderungserfahrung. Sie sind als Aus- und Übersiedler, Arbeitsmigranten und Experten oder auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und sozialer Perspektivlosigkeit nach Deutschland gekommen. Frank Jost vom Forum Wohnen und Stadtentwicklung (FWS) sprach mit Bernd Hallenberg über den neuen Survey.

FWS: Herr Hallenberg, ist es heute überhaupt noch sinnvoll, die Bevölkerung mit Migrationshintergrund in einer Befragung abzugrenzen? Dies wird doch häufig auch kritisch gesehen.


Bernd Hallenberg: Die Frage ist berechtigt. Tatsächlich ist die Mehrheit jener Bürger, die ihre Wurzeln in anderen Ländern und Kulturen haben, heute in jeder Hinsicht integriert und selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Aus dieser Perspektive macht eine solche Abgrenzung also keinen Sinn. Doch bei dieser Fokussierung geht es darum, Unterschiede bei Bedürfnissen, kulturelle Besonderheiten, aber auch fortbestehende Integrationshindernisse oder Benachteiligungen zu ermitteln und abzubauen. Dazu benötigen wir derzeit noch eine solche Abgrenzung. Die Definition stammt im Übrigen nicht von uns, sondern vom Statistischen Bundesamt und der Bundesagentur für Arbeit. Viele Studien beschränken sich inzwischen auf die Befragung von Teilgruppen, etwa Türkei-Stämmige oder Muslime. Ein solches Vorgehen würde für unsere Arbeit aber viel zu kurz greifen.

Wie würden Sie den neuen Survey in der aktuellen Integrationsdebatte einordnen?


Die Arbeit des vhw zielt auf eine bessere und gerechte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen und eine Stärkung des Zusammenhalts. Um dieses Ziel aktiv zu verfolgen, brauchen wir aktuelle und differenzierte Kenntnisse über die Lebensumstände, Einstellungen und Werte aller Gruppen der Gesellschaft, gerade auch solcher mit Zuwanderungsgeschichte. Zudem konkurrieren unterschiedliche Vorstellungen darüber, was Integration bewirken soll. Wir liefern dazu einen wesentlichen Beitrag: Die Sicht der Betroffenen auf ihr Leben hierzulande...[mehr]

vhw
Quelle: