Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, die Work-Life-Balance waren große Themen der letzten Jahre. Die kommunalen Arbeitgeber konnten diese Herausforderungen weitgehend geräuschlos meistern, jedenfalls in größeren Organisationseinheiten wie Landratsämtern und Verwaltungen großer Gemeinden.
Neue Entwicklungen wie das betriebliche Eingliederungsmanagement, das Gesundheitsmanagement, neue Formen der Arbeitsorganisation, wie beispielweise die „bürofreie Arbeit“ erzwingen eine Weiterentwicklung der Mitarbeiterorientierung.
Neu ist, das Ehrenamt soll ausdrücklich gefördert werden – in Baden-Württemberg und Bayern wurde es zum Staatsziel erhoben. Daraus folgend ist die „Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt“ zu gestalten. Modern aufgestellte Organisationen haben dies zumindest in ihren Leitbildern bereits aufgenommen. Aus gutem Grund: Unsere Gesellschaft braucht eine funktionierende Verwaltung und auch ein funktionierendes öffentliches Ehrenamt. Insoweit sind staatsbürgerliche Überlegungen vorrangig vor Partikularinteressen einzelner öffentlicher Arbeitgeber zu stellen. Eine großzügige Freistellung und eine für alle Beteiligten tragfähige Regelung zur Arbeitszeitgutschrift unterstützt diese Zielrichtung und erfüllt den Geist der neuen verfassungsrechtlichen Regelungen mit Leben.
Management Summary
Überdurchschnittlich viele Beschäftigte bei kommunalen Arbeitgebern üben Ehrenämter aus. Zeitliche Kollisionen zwischen Ehrenamt und Dienst- oder Arbeitspflichten sind dabei nicht zu vermeiden. Einen generellen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf bezahlte oder unbezahlte Freistellung von der Arbeit, um ein Ehrenamt ausüben zu können, gibt es nicht. In wenigen Sonderfällen gibt es einen Freistellungsanspruch. Zu diesen Sonderfällen gehören alle Tätigkeiten im öffentlichen Ehrenamt, denn grundsätzlich fehlt dem öffentlichen Ehrenamt die Freiwilligkeit. Daher sind Pflichten und Rechte auszugleichen. Der Freistellungsanspruch entsteht im Umfang der Erforderlichkeit, die sich aus Unaufschiebbarkeit und Terminhoheit zusammensetzt.
Folge der erforderlichen Freistellung ist Anrechenbarkeit der Zeitstunden im Rahmen des Benachteiligungsverbotes. Deren Umfang ist schwierig festzustellen bei gleitender Arbeitszeit, bei Vertrauensarbeitszeit oder bei bürofreier Arbeit. Jedenfalls ist zumindest die Arbeitszeit gutzuschreiben für die Zeit, die „regelmäßig an diesem Tage angefallen wäre“. Besser scheint eine Weiterentwicklung einer angenommenen feststehenden Arbeitszeit durch Individualisierung in eine „fiktive individuell feststehende Arbeitszeit“ („FIFAZ“). Vorherige Vereinbarungen, möglichst für ganze Kalenderjahre, geben Klarheit für alle Beteiligten, vereinfachen die Abwicklung und verhindern nachlaufende Diskussionen. Diese führen sogar bei bürofreier Arbeit und in vielen Ausnahmefällen zu befriedigenden Ergebnissen für alle Beteiligten.
Eine Neujustierung ist überfällig
Besondere Schwierigkeiten bereiten kommunalen Arbeitgebern seit Jahren der Umgang mit Ehrenämtern ihrer Beschäftigten. Zuletzt ist dabei weniger die Frage der Erforderlichkeit einer Freistellung, als deren Behandlung bei der Arbeitszeiterfassung in den Fokus gerückt. Letzteres ist geschuldet der Entwicklung von feststehender Arbeitszeit über eingeschränkte Kontaktzeiten bis zur Vertrauensarbeitszeit neben einer allzeit elektronischen Erreichbarkeit, bis hin zur bürofreien Arbeit.
Verschärft haben sich diese Schwierigkeiten in den letzten beiden Jahren durch neue gesetzliche Vorgaben, wie längere Ruhe- und Pausenzeiten im Arbeitszeitgesetz. In Baden-Württemberg wurde zudem die „Förderung des Ehrenamtes“ als Staatsziel in die Landesverfassung aufgenommen. Für die Vereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt scheint also eine Neujustierung überfällig.
Ausgangspunkt und Basis der Betrachtungen sind die grundsätzlichen Überlegungen von Irmtraut Bock in der BWGZ, auch wenn diese sich einschränkend nur einer besonderen Art eines öffentlichen Ehrenamtes widmen. Brisanz bekommt das Thema bei der Kandidatensuche jetzt unmittelbar vor den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, wenn bei der Freiwilligen Feuerwehr der Nachwuchs fehlt oder Gerichte ehrenamtliche Schöffen und Richter suchen...[mehr]