Der Bundestag hat am 11. Oktober 2018 ein Gesetz angenommen, das vordergründig lediglich der Durchsetzung von EU-Recht dient. Mit dem Gesetz zur Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes (AkkStelleG), das in Kürze (am Tag nach der Verkündung) in Kraft tritt, soll ausweislich der Begründung eine effektive Einhaltung der europäischen Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (ABl. EU 2008 L 218/30) sichergestellt werden. Die Änderungen des AkkStelleG werfen allerdings grundlegendere Fragen zur Akkreditierung und Zertifizierung auf.
Hintergrund der Gesetzesänderung
Die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 dient unter anderen dazu, einheitlich Regelungen für die Akkreditierung in der EU zu schaffen und damit mittelbar die Qualität von Konformitätsbewertungen sicherzustellen. Staatliche Akkreditierungen sind die Reaktion auf das bekannte Phänomen, dass der Gesetzgeber und die Exekutive Mühe haben, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, muss der Staat neue Konzepte entwickeln und vor allem über das erforderliche Know-how verfügen. Ein Weg, um dies zu erreichen, ist es, einzelne Kontrollaufgaben Privaten zu übertragen, die über die entsprechende Expertise verfügen. Indem der Staat wiederum die fachliche Kompetenz, die Unabhängigkeit und sonstige Eignung der Privaten überwacht, nimmt er seine Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Bürger wahr.
Systeme der Bewertung (und Kennzeichnung) von Produkten und Dienstleistungen anhand bestimmter Kriterien finden sich in zahlreichen, ganz unterschiedlichen Bereichen. Einer solchen Konformitätsbewertung ist regelmäßig vorgelagert, dass die Prüfstellen ihrerseits begutachtet und zugelassen werden. Dies gilt auch für vollständig privat aufgesetzte und verwaltete Systeme, die weder auf einem gesetzlichen Rahmen beruhen noch dem staatlichen Bereich der Gefahrenabwehr oder Gefahrprävention zugerechnet werden können. Eine (strengere) Regulierung solcher Systeme hätte eine erhebliche Relevanz und wirft auch verschiedene rechtliche Fragen auf. Dennoch hat das Gesetz im gesamten Gesetzgebungsverfahren kaum Aufmerksamkeit erfahren. Dies kann verwundern. Denn selbst wenn bei bestimmten Fragen ein gesamtgesellschaftlicher Konsens herrscht, lässt sich doch über die Ausgestaltung im Detail stets streiten. Im Falle der Änderung des AkkStelleG blieb dies weitestgehend aus. Das Gesetz dürfte allerdings nicht über jeden Zweifel erhaben sein. Vielmehr ist das Gesetz wohl nicht für eine öffentliche Debatte geeignet, da der Regelungsgegenstand recht technisch ist. Zudem ist der Spielraum des Gesetzgebers ohnehin begrenzt, da es im Kern um die Durchsetzung von EU-Recht gehen soll.
Auslöser der Änderung des AkkStelleG dürfte ein Vertragsverletzungsverfahren gewesen sein, in dem die Europäische Kommission den Vorwurf erhoben hat, dass Deutschland nicht die „Alleinstellung der nationalen Akkreditierungsstelle“ hinreichend gewährleistet hat. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 darf es in jedem Mitgliedstaat maximal eine Akkreditierungsstelle geben. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Alleinstellung sichergestellt werden.
Durch das Änderungsgesetz werden auch einzelne Bestimmungen der Gewerbeordnung modifiziert. Diese sind allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrags.
Unberechtigte Akkreditierung
Die Alleinstellung der Akkreditierungsstelle soll insbesondere durch die Verbotstatbestände in § 1a Abs. 1 Satz 1 AkkStelleG geschützt werden. Nach dessen Ziffer 1 ist es verboten, unberechtigt eine Akkreditierung im Sinne des Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen. Bei der Anwendung dieser Bestimmung wird ganz grundsätzlich zu klären sein, welche Tätigkeiten verboten sind. Der Wortlaut des Gesetzes ist dabei allerdings nicht hilfreich. Es bedarf vielmehr einer Auslegung anhand der Gesetzesbegründung und des zugrundeliegenden EU-Rechts. Denn das Verbot, unberechtigt eine Akkreditierung im Sinne des Art. 2 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen, soll wohl nicht jede Akkreditierung im Sinne der Verordnung erfassen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Definition in der Verordnung schon deshalb nicht direkt angewendet werden kann, da danach nur die „Bestätigung durch eine nationale Akkreditierungsstelle“ als Akkreditierung gilt. Eine unberechtigte Akkreditierung käme dann nur in Betracht, wenn sie von einer nicht zuständigen nationalen Akkreditierungsstelle durchgeführt wurde. Gemeint ist hingegen, dass eine unberechtigte Akkreditierung im Sinne des AkkStelleG wohl dann in Betracht kommt, wenn rechtlich eine Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle erforderlich ist und sie (stattdessen) von einer anderen Stelle durchgeführt wurde. So sollen nach der Gesetzesbegründung „Akkreditierungen“ von Studiengängen sowie die Akkreditierung von Diplomaten und Journalisten nicht erfasst sein – offenbar weil eine Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle nicht erforderlich ist...[mehr]