Deutschland belegt im Korruptionswahrnehmungsindex CPI in Westeuropa nur einen Mittelfeldplatz. Welche Rolle Korruption in der öffentlichen Verwaltung spielt, darüber sprachen wir mit Prof. Dr. Dr. Jürgen Louis (Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl), Leiter der Regionalgruppe Baden-Württemberg von Transparency International Deutschland e.V.
PUBLICUS: Herr Professor Louis, was sind für Sie die prägenden Merkmale von Korruption – und welche davon sind in Kommunen und Behörden anzutreffen?
Louis: Nach einer allgemein anerkannten Definition, die auch von Transparency International verwendet wird, versteht man unter Korruption den Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Kennzeichnend für Korruptionshandlungen ist es, dass sich Gemein- und Eigenwohlinteressen diametral gegenüberstehen.
Herkömmlich werden die Formen der situativen, strukturellen und systemischen Korruption unterschieden. Die situative Korruption bezeichnet kleinere Korruptionshandlungen, die aus einer Situation heraus bei Gelegenheit begangen werden, z.B. bei einer behördlichen Kontrolle wird dem kontrollierenden Beamten Geld angeboten, damit dieser nicht so genau hinsieht.
Bei der strukturellen Korruption gehen die Täter dagegen gezielt vor. Ihre Bestechungshandlungen sind regelmäßig auf Wiederholung angelegt. Betroffen sind häufig der Beschaffungsbereich, die Leistungsverwaltung sowie Verwaltungsbereiche, in denen wie z.B. im Ausländerrecht bei Aufenthaltsgenehmigungen oder Einbürgerungen über weitreichende Statusänderungen bei Antragstellern entschieden wird. Bei der systemischen Korruption schließlich handelt es sich um groß angelegte, zumeist international organisierte Wirtschaftskriminalität, wie wir sie aus der Abfallwirtschaft kennen.
„Korruption durch Unwissenheit“
In der öffentlichen Verwaltung tritt als weitere Form die Korruption durch Unwissenheit hinzu, bei der sich der Beamte oder der Angestellte des öffentlichen Dienstes nicht bewusst ist, dass sein Verhalten verboten ist und einen Straftatbestand erfüllt.
Ein Klassiker sind hierbei Schulfotoaktionen. Dabei macht ein Fotograf der Schulleitung das Angebot, dass die Schule für die Erteilung eines Auftrags zum Fotografieren der Schulkinder eine Geldspende von mehreren hundert Euro oder eine Sachspende wie z.B. ein Notebook erhält. Die Schulleitung nimmt das Angebot an, da die Spende vermeintlich der Einrichtung und damit allen Kindern zugute kommt.
Tatsächlich wird diese Spende jedoch von den Eltern durch überhöhte Fotopreise bezahlt. Auswahl und Beauftragung des Fotografen verstoßen regelmäßig gegen dienst- und arbeitsrechtliche Verbote ebenso wie gegen haushaltswirtschaftliche und vergaberechtliche Bestimmungen. Ein Fall von sogenannter Alltagskorruption. Strafrechtlich sprechen wir über Bestechlichkeit...[mehr]