Seit der Körperschaftssteuer-Reform, die die Gewerbesteuer zur bestimmenden Unternehmenssteuer gemacht hat, sind mehr als zehn Jahre vergangen. Und noch immer steigt die Bedeutung des Hebesatzes für die Unternehmen als Gewerbesteuerschuldner.
Waren ausländische Einkünfte von der Gewerbesteuer bisher nicht belastet, so hat sie der Gesetzgeber 2016 (einer Intention der Finanzverwaltung folgend) unter Durchbrechung des Territorialitätsprinzips des § 2 Abs. 1 GewSt miterfasst, soweit sie als passive Einkünfte gelten [1]. Neuestens wird sogar über eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer nachgedacht (de lege ferenda), ähnlich der einkommensteuerlichen Regelung des § 35 EStG. Käme es zur Anrechnung entsprechend der ESt-Regelung, dann würde nur die Gewerbesteuer bis zu einem Hebesatz von 380 kompensiert und die darüberhinausgehende Gewerbesteuer eine Zusatzbelastung auslösen.
Gewerbesteuer-Tourismus
Grundsätzlich wird die Gewerbesteuer-Belastung durch die Höhe des Gewerbeertrages eines Unternehmens bestimmt. Aber da der Gewerbeertrag (nach Zu- und Abrechnungen) mit dem Gewerbesteuer-Hebesatz multipliziert wird, den die Gemeinde selbst festsetzt, wirkt er sich je nach Höhe ganz unterschiedlich aus. Der Mindesthebesatz beträgt heute 200 Punkte und kann auf über 500 Punkte steigen. Das hat Auswirkungen auf die Standortwahl von Unternehmen, die bestimmen müssen, wo ihr Ertrag anfallen soll. Und in den meisten Fällen wird der Standort mit einem niedrigeren Hebesatz vorgezogen, was in Deutschland zur Entstehung eines regelrechten Gewerbesteuer-Tourismus beigetragen hat. Seit die Gewerbesteuer nicht mehr auf die Steuerbemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer anrechenbar ist, hat sich diese Entwicklung noch verstärkt.
Standortzwänge
Große Kommunen mit starker Bevölkerung haben hohe Aufwendungen und deswegen auch die hohen Hebesätze. Die starke Bevölkerung ist aber auch der wesentliche Standortfaktor eines Unternehmens, soweit nicht regionale Aktivitäten und die Nähe zum Kunden eine Rolle spielen. Folglich sitzen in den großen Kommunen auch die personalintensiven Unternehmen. Das ist ein Hauptgrund, weshalb sich hier Banken, Versicherungen und andere Dienstleister mit hohem Personalbedarf finden, ebenso wie personalintensive Produktions- und Vertriebsunternehmen. Wenn diese flexibel sind, wechseln sie immer häufiger in Gemeinden mit günstigem Hebesatz, wie etwa die Ansiedlung von Vertriebsunternehmen des Internet-Handels außerhalb der Standorte mit hohem Hebesatz zeigt. Oder sie nutzen eine Lage außerhalb der Grenzen einer Großstadt und profitieren dennoch von deren Einwohnerzahlen (und dem geringen Hebesatz ihrer Sitzgemeinde wie zum Beispiel Waldorf oder Gerlingen)...[mehr]