RICHARD BOORBERG VERLAG

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13.05.2019

Franz Dillmann; Marco Schütz

Das Wahlrecht wird inklusiv

BVerfG kippt Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderungen

Christian Schwier - Fotolia

„Die politischen, religiösen und bürgerlichen Freiheiten lassen sich wohl nur dann auf angemessene Weise sichern, wenn sie für alle gleich gesichert sind. Gibt man manchen Gruppen ein ungleiches Wahlrecht …, so zwingt man sie in eine Position der Unterordnung und Erniedrigung, und das ist eine Missachtung ihrer gleichen Menschenwürde“ (Martha C. Nussbaum. Die Grenzen der Gerechtigkeit, 2010, S. 401).

Für die Demokratie ist die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung unverzichtbar. Der frühere Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, bezeichnete daher das Wahlrecht wegen dieser hohen Bedeutung zu Recht als „demokratisches Königsrecht”. So betrachtet hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seiner neuen Entscheidung vom 29.01.2019 (Az. 2 BvC 62/14) der Königskrone des Wahlrechts einen neuen Zacken hinzugefügt.

Karlsruhe erklärt den Ausschluss vollumfänglich gesetzlich Betreuter und schuldunfähiger Straftäter in psychiatrischen Krankenhäusern zu den Wahlen des Deutschen Bundestages 2013 für verfassungswidrig bzw. letzteren sogar für nichtig. § 13 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) weist bislang beide Gruppen als wahlrechtsunfähig aus. Dieser pauschale Ausschluss verstoße gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 GG) und das Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Betroffen sind etwa 85.000 Menschen in Deutschland.

Die Allgemeinheit der Wahl sichert jedem Staatsbürger das gleiche Maß an politischer Selbstbestimmung zu. Es beinhaltet das Recht zu wählen und gewählt zu werden (aktives und passives Wahlrecht). Ein Ausschluss bestimmter Bevölkerungsgruppen von der Ausübung des Wahlrechts aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen ist unzulässig. Auch darf die Teilnahme an der Wahl nicht von besonderen, d.h. nicht von jedermann erfüllbaren Voraussetzungen (z.B. Vermögen, Einkommen, Steuerentrichtung, Bildung, Lebensstellung) abhängig gemacht werden...[mehr]

Franz Dillmann
Marco Schütz
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