RICHARD BOORBERG VERLAG

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09.10.2019

Prof. Dr. Wolfgang Kahl, M.A.

„Sustainabilty as Key to Human Survival“

Was ist Nachhaltigkeitsrecht?

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Nachhaltigkeitsrecht ist ein vergleichsweise neues Rechtsgebiet. Es ist Teil einer globalen interdisziplinären Nachhaltigkeitswissenschaft, an der sich zahlreiche Fächer, etwa auch die Politik- oder Wirtschaftswissenschaften, beteiligen. Was Nachhaltigkeitsrecht genau bedeutet und warum dabei das Bienensterben, die Staatsverschuldung und die Renten politik gleichermaßen relevante Themen sind, will der folgende Beitrag verdeutlichen.

Begriffsbestimmung

Nachhaltigkeit ist heute nicht nur eine politische Leitidee und ein Begriff der Alltags- und Werbesprache, sondern in vielen Rechtsordnungen und auf zahlreichen Ebenen des Rechts auch ein verbindliches Rechtsprinzip. Dies gilt besonders für Europa, wo sich die Idee der Nachhaltigkeit anschickt, zu einem „gemeineuropäischen“ Verfassungsbegriff und -prinzip zu werden. Aber auch global gilt „sustainability“ (bzw. „sustainable development“) seit der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen (1992) als „the key to human survival“.

Der Begriff wird dabei in den verschiedenen Fächern zum Teil unterschiedlich verstanden und ist insgesamt eher schwer greifbar, nach Meinung von Kritikern sogar ein „Begriffs-Chamäleon“ oder eine „leere Worthülse“. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, ist diese Kritik jedoch weitgehend unberechtigt. Bei näherem Zusehen erweist sich auch der Nachhaltigkeitsbegriff als nicht minder konkretisierungsfähig als andere „Großformeln“ des Rechts (z. B. Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat, Verhältnismäßigkeit).

Managementregeln für Naturkapital

Am präzisesten und damit am eingängigsten ist das Nachhaltigkeitsprinzip im engen Sinne verstanden als dauerhafte Bewirtschaftung der natürlichen Lebensgrundlagen gemäß bestimmten anerkannten Managementregeln:

  • Erneuerbare Ressourcen dürfen nicht schneller verbraucht werden, als dass sie sich regenerieren können,
  • nicht erneuerbare Ressourcen dürfen nicht schneller verbraucht werden, als dass ein gleichwertiger Ersatz an regenerierbaren Ressourcen geschaffen werden kann und
  • Schadstoffemissionen dürfen die Aufnahmekapazität der Ökosysteme nicht übersteigen.

Diese Regeln sind intuitiv einleuchtend und beruhen zudem auf einer langen Tradition: Schon in der preußischen Forstwirtschaft des frühen 18. Jahrhunderts galt die Maxime, dass nur von den Zinsen, nicht aber vom Kapital gelebt werden solle, sprich: nicht mehr Bäume abgeholzt werden dürfen, als wieder nachwachsen können.

Mit Blick auf die Gegenwart scheitert die Staatengemeinschaft jedoch bislang kläglich an der Umsetzung dieser bestechend einfachen Grundidee der Bewirtschaftung knapper Ressourcen: Im Jahr 2018 nutzten wir unsere Ressourcen so, als hätten wir 1,7 Erden zur Verfügung. Schon am 1. August waren so viele Ressourcen verbraucht, wie in einem Jahr generiert werden können (sog. Overshoot Day)...[mehr]

Prof. Dr. Wolfgang Kahl, M.A.
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