Der 9. Senat des BVerwG hat mit Beschluss vom 06.09.2018 (9 C 5.17) dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG Rheinland-Pfalz (RP) i.V.m. §§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) vereinbar ist, „soweit er die Erhebung von Erschließungsbeiträgen zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage erlaubt“.
Zwar habe der Gesetzgeber, so das BVerwG in seiner Begründung, mit der Schaffung von Festsetzungsfristen Bestimmungen erlassen, die einer unbefristeten Abgabenerhebung entgegenwirken. Diese seien jedoch insofern unzureichend, als sie (wie im konkret zu entscheidenden Fall) gleichwohl „eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ermöglichen“ (Rn. 45). Für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage reiche die dem Kläger (Beitragsschuldner) offen gehaltene Chance aus, die sich aus einem Vergleich der zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung verstrichenen Zeitspanne mit der Dauer der Ausschlussfristen derjenigen (acht) Landesgesetze ergebe, welche in Reaktion auf den BVerfG-Beschluss vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08; BVerfGE 133, 143) erlassen wurden, um dem dort in Bezug auf eine leitungsgebundene öffentliche Entwässerungseinrichtung und das bayerische Landesrecht (BayKAG) formulierten „Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit“ für die Abgabenerhebung entsprechend eine zeitliche Begrenzung zu normieren, so das BVerwG (Rn. 53).
Das BVerwG führt insoweit die Bandbreite der in anderen Bundesländern geltenden Höchstfristen zwischen zehn und 20 (bzw. in Sonderfällen 25) Jahren an (Rn. 41, 59). Zudem erwägt das Gericht, ob § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ein Grundsatz entnommen werden könne (a maiore ad minus), dass, „wenn selbst bestandskräftig festgestellte Ansprüche nach 30 Jahren nicht mehr durchgesetzt werden können, spätestens nach dieser Frist“ auch ohne bzw. vor Erlass einer expliziten gesetzlichen Regelung die Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ausgeschlossen ist (Rn. 42).
Zeitpunkt der Vorteilsentstehung als Fristbeginn
Das BVerwG geht (in Abgrenzung zu mehreren allein die Höhe eines Beitrags betreffenden Aspekten) auch näher auf das Entstehen der Beitragsschuld dem Grunde nach ein, d. h. den Eintritt einer die spezifische Belastung rechtfertigenden „Vorteilslage“. Das Rechtsstaatsprinzip verlange Klarheit darüber, „ob ein Vorteilsempfänger die erlangten Vorteile durch Beiträge auszugleichen hat, und damit eine für den Beitragsschuldner konkret bestimmbare Frist“ (Rn. 54), wieder Bezug nehmend auf den BVerfG-Beschluss von 2013. Da der Pflichtige selbst feststellen können müsse, bis zu welchem Zeitpunkt er noch mit seiner Heranziehung zu rechnen habe, setze diese Maßgabe wiederum die Erkennbarkeit des Zeitpunkts voraus, in dem der beitragsrechtliche Vorteil entsteht und die Frist für eine mögliche Inanspruchnahme zu laufen beginnt. Folgerichtig komme es daher im Erschließungsbeitragsrecht maßgeblich „auf die tatsächliche – bautechnische – Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme, nicht jedoch darauf an, ob darüber hinaus auch die weiteren, für den Betroffenen nicht erkennbaren rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vorliegen“.
Entscheidend sei, so das BVerwG weiter, ob die jeweilige (Erschließungs-)Anlage „sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Durchführung nur provisorisch her- oder schon endgültig technisch fertiggestellt ist, d. h. dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht“ (Rn. 55; hier liegt der maßgebliche tatsächliche Unterschied gegenüber dem Beschl. v. 13.09.2018, 9 B 29.17, Rn. 5). Würde zudem auf Widmung einer Straße (speziell bei § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) und/oder Wirksamkeit einer Beitragssatzung (§ 132 BauGB, Art. 2 BayKAG) abgestellt, könnten Erlangung des Vorteils und Entstehung der Beitragspflicht „zeitlich unbegrenzt zusammenfallen“; das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit „liefe dann leer“ (Rn. 55).
Der zu beurteilende Sachverhalt zeigt allerdings, dass sich damit in der Praxis Probleme nur verschieben mögen: Obwohl hier der abgerechnete Straßenteil satzungsgemäß (s. § 132 Nr. 4 BauGB) hergestellt war, soll dieser Termin nicht maßgeblich sein, weil seinerzeit noch (in einem später für nichtig erachteten Bebauungsplan) eine vierspurige Fortführung geplant und somit die Anlage nicht in ihrer gesamten Länge fertiggestellt gewesen sei. Jedoch könnte, was auch das BVerwG sieht, der abgerechnete Teil schon (vor der neuen, nur noch zweispurigen Straßenbauplanung) „in die Eigenschaft einer selbstständigen Erschließungsstraße hineingewachsen“ sein (Rn. 57). Und im Hinblick auf [... lesen Sie hier weiter]