RICHARD BOORBERG VERLAG

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07.12.2018

Straßenbaubeitragsrecht

Drei zentrale Fragen

Ein Beitrag zur Diskussion um die Abschaffung des Straßenbaubeitrags

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In den letzten Monaten ist in verschiedenen Bundesländern eine lebhafte Diskussion über eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags entstanden. In Nordrhein-Westfalen hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zu einer solchen Abschaffung in den Landtag eingebracht, in Sachsen-Anhalt hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag angekündigt; die Fraktion Die Linke will mit einem Gesetzentwurf die Diskussion im Landtag in Magdeburg anschieben. In Brandenburg hat die Vereinigung BVB/Freie Wähler eine Volksinitiative zur Abschaffung des Straßenbaubeitrags gestartet. In Thüringen sollen sich die Regierungsfraktionen auf eine Abschaffung schon mit Wirkung zum 1. Januar 2019 geeinigt haben. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz sollen die Straßenbaubeiträge vor dem Aus stehen. In Bayern sind die Straßenbaubeiträge noch kurz vor der Landtagswahl im Oktober 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft worden.

Die Anti-Straßenbaubeitrag-Bewegung wird namentlich in den neuen Bundesländern in der Presse nahezu durchgehend damit begründet, die „Bürger“ müssten von Beitragszahlungen befreit werden, die Beiträge seien unsozial und könnten der „Bevölkerung“ nicht mehr zugemutet werden. Dazu ist zunächst klarzustellen: Straßenbaubeiträge werden in Deutschland – ebenso wie Erschließungsbeiträge – seit weit über 100 Jahren ausschließlich von Grundeigentümern (bzw. Erbbauberechtigten, die jedoch ebenso wie – in den neuen Bundesländern – „sonst dinglich zur baulichen Nutzung“ Berechtigte im Folgenden vernachlässigt werden sollen), nicht aber von Mietern oder von durch ein Nießbrauchsrecht zum Wohnen berechtigte Personen erhoben. Zwar ist jeder Grundeigentümer ein Bürger, nicht aber jeder Bürger ein Grundeigentümer. Beispielsweise in Berlin sind lediglich etwa 10% der Bürger Grundeigentümer. In rein ländlichen Regionen mag sich die Anzahl der Grundeigentümer gelegentlich der Anzahl der Bürger annähern, doch ändert das nichts daran, dass dies in städtischen Regionen regelmäßig völlig anders ist. Kurzum: Die Annahme, alle Bürger bzw. die „Bevölkerung“ würden durch Straßenbaubeiträge belastet, ist schlicht unzutreffend.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für eine Diskussion über die Abschaffung des Straßenbaubeitrags drei sozusagen zentrale Fragen, nämlich ob – erstens – eine solche Abschaffung wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit – ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer veranlasst ist, ob sie – zweitens – etwas für die Lösung des Problems der Deckung des für den gemeindlichen Straßenbau entstehenden Aufwands hergibt und ob sie – drittens – zu einer Befriedung der Bevölkerung in der jeweiligen Gemeinde beiträgt. Die Antworten auf diese Fragen sollen letztlich dem Leser überlassen bleiben.

Ist eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer sachlich veranlasst?

1.Straßenbaubeiträge werden typischerweise für die Kosten der Verbesserung oder Erneuerung einer verschlissenen Gemeindestraße erhoben, und zwar von den Grundeigentümern, deren angrenzende Grundstücke durch diese Straße erschlossen und bebaubar gemacht worden sind. Ob der Gebrauchswert solcher Grundstücke durch einen beitragsfähigen Ausbau der betreffenden Verkehrsanlage steigt und damit deren Grundeigentümer bevorteilt werden, lässt sich – alle juristischen Überlegungen zum beitragsrechtlichen Vorteilsbegriff hintan gestellt – ganz einfach durch eine Gegenprobe beantworten: Baut die Gemeinde eine verschlissene Straße nicht aus, sondern lässt sie gleichsam „verrotten“, werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit Straße und angrenzende Grundstücke – nahezu – unbenutzbar, jedenfalls sinkt der Gebrauchswert dieser Grundstücke und erleiden deren Eigentümer dadurch einen Nachteil. Saniert die Gemeinde dagegen die Straße rechtzeitig, wird nicht nur ein solcher Nachteil vermieden, sondern es wird durch die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der erneuerten Straße dieser Gebrauchswert im Verhältnis zum Gebrauchswert während des Zeitraums des Verschlissenseins der Straße erhöht.

2.Straßenbaubeiträge berühren lediglich die Grundeigentümer, deren Grundstücke – wegen ihrer Nähe – in besonderer Weise von der Inanspruchnahmemöglichkeit gerade der (ausgebauten) Straße abhängig sind. Diesen Grundeigentümern – und nur ihnen – gewährleistet die Rechtsordnung einen sog. Anliegergebrauch an dieser Straße insoweit, als eine angemessene Nutzung des Grundeigentums oder die Ausübung oder Fortführung eines Gewerbebetriebs die Benutzung dieser Straße erfordern. Dadurch ist ein spezifisches Verhältnis zwischen diesen Grundeigentümern und „ihrer“ Straße begründet, und diese Grundeigentümer sind aus dem Kreis der Allgemeinheit hervorgehoben.

3.Straßenbaubeiträge werden seit jeher als Vorzugslasten der u.a. durch den Anliegergebrauch besonders bevorteilten Grundeigentümer angesehen. Diesen Vorzugslasten trägt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (u.a. Urteil vom 22.3.1994 – IX R 109/90 – BFHE 175/31) dadurch Rechnung, dass sie die Straßenbaubeiträge als sofort abziehbare Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung anerkennt.

4. Richtig ist, dass die Eigentümer (einschließlich Familien) der Grundstücke, die an eine ausgebaute Straße angrenzen, nicht die einzigen Benutzer dieser Straße sind, sie vielmehr auch von Mietern, Besuchern und anderen Personen in Anspruch genommen wird. Darauf reagiert das Straßenbaubeitragsrecht dadurch, dass es den betreffenden Grundeigentümern nur einen Anteil von den für die Sanierung „ihrer“ Gemeindestraße entstandenen Ausbaukosten auferlegt. Dieser Anteil (Eigentümeranteil) entspricht der Höhe nach dem Umfang der von ihren Grundstücken voraussichtlich ausgelösten Inanspruchnahme der Straße im Verhältnis zur voraussichtlichen Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit. Das führt dazu, dass die Grundeigentümer im Durchschnitt, d.h. bei Berücksichtigung aller Straßenarten (Anlieger-, Haupterschließungs- und Durchfahrtsstraßen), lediglich einen Anteil von ca. 50% der Ausbaukosten von Gemeindestraßen zu übernehmen haben und die übrigen ca. 50 % von der Allgemeinheit, also den anderen Einwohnern der Gemeinde als sog. Gemeindeanteil zu tragen sind.

5. Einzuräumen ist, dass in seltenen Ausnahmefällen ein Straßenbaubeitrag die Größenordnung eines mittleren fünfstelligen Betrags oder gar mehr erreicht. Das betrifft allerdings nicht Eigentümer kleinerer, einzig mit einem Eigenheim bebauter Grundstücke, sondern regelmäßig nur eher wohlhabende Eigentümer von großflächigen, intensiv z.B. gewerblich genutzten Grundstücken. Denn der Anteil an dem für eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme angefallenen Aufwand, der von den Eigentümern zu tragen ist, wird typischerweise nach dem sog. Vollgeschossmaßstab auf die anliegenden Grundstücke verteilt, d.h. nach einem Maßstab, der ausschlaggebend abstellt auf die Größe dieser Grundstücke sowie Art und Maß von deren baulicher Ausnutzung (Ausnutzbarkeit). Sollte gleichwohl in einem Einzelfall eine Beitragserhebung zu einer unbilligen persönlichen oder sachlichen Härte führen, begründen teilweise recht großzügige gesetzliche Regelungen Erleichterungen von Stundungen über Ratenzahlungen bis zu (ggfs. teilweisen) Beitragserlassen. Das schließt – anders als Befürworter einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags gelegentlich glauben machen wollen – in der Praxis eine übermäßige Belastung von Grundeigentümern aus, schließt insbesondere aus, dass sich Grundeigentümer zur Begleichung einer Beitragsschuld von ihrem Grundstück trennen müssen.

6. Insoweit abschließend bleibt zu prüfen, ob es einen tragfähigen sozialen oder finanzwirtschaftlichen Grund gibt, zugunsten der durch die Sanierung „ihrer“ Straße bevorteilten Grundeigentümer auf die Erhebung von Straßenbaubeiträgen mit der Folge zu verzichten, dass selbst der Eigentümeranteil von allen Gemeindemitgliedern aufgebracht werden muss oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlt.

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Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus
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