RICHARD BOORBERG VERLAG

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06.08.2018

Vergabeverfahren

Anforderungen an die Dokumentation von Vergabeentscheidungen

Welche Dokumentationspflichten muss der öffentliche Auftraggeber beachten?

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Zur Gewährleistung eines transparenten und fairen Verfahrens (und damit einhergehend zur Vermeidung von Manipulationen) sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die wesentlichen Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens von Beginn an fortlaufend in Textform, d.h. schriftlich nach § 126 b BGB zu dokumentieren.

Dokumentationspflichten in europaweiten Vergabeverfahren

Die Pflicht zur Dokumentation obliegt dem jeweiligen öffentlichen Auftraggeber, der eine Leistung beschafft. Dies gilt auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber sich bei der Durchführung des Vergabeverfahrens von (beratenden) Dritten unterstützen lässt. Der Dritte kann (auch) bei der Dokumentation des Verfahrens (lediglich) unterstützen; die wesentlichen Entscheidungen des Verfahrens muss indes der öffentliche Auftraggeber treffen bzw. verantworten. Dementsprechend ist auch die Dokumentation von einem zuständigen, namentlich benannten Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers zu unterzeichnen.

Sämtliche Verfahrensordnungen enthalten – mehr oder weniger detaillierte – Regelungen zur Dokumentation und zu inhaltlichen Mindestanforderungen an diese (z.B. § 8 VgV für Liefer- und Dienstleistungen, § 20 EU VOB/A i.V.m § 8 VgV für Bauleistungen, § 8 SektVO für Sektorenaufträge, § 6 KonzVgV für Konzessionen, ferner § 6 UVgO für Unterschwellenvergaben. Daneben gibt es in den Vergabeverordnungen teilweise noch Dokumentationsvorgaben in Einzelbestimmungen, z.B. § 9 Abs. 2 VgV zur Dokumentation etwaiger mündlicher Kommunikation im Vergabeverfahren und § 56 Abs. 5 VgV zur Dokumentation der Nachforderung fehlender Erklärungen/Unterlagen).

Umfassende, transparente und verständliche Dokumentationspflicht

Die Dokumentation des Verfahrens ist umfassend zu verstehen. Sie beinhaltet neben den wesentlichen Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers im Verfahren z.B. auch die Dokumentation der Kommunikation mit Unternehmen (Bieterfragen und -antworten), interne Beratungen und die Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 VgV). Ein wichtiger Bestandteil der Dokumentation ist der Vergabevermerk über das Vergabeverfahren mit bestimmten Mindestangaben (vgl. § 8 Abs. 2 VgV).

Die Dokumentation, der Vergabevermerk sowie Teilnahmeanträge und Angebote sind mit ihren Anlagen bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags aufzubewahren, mindestens jedoch für 3 Jahre ab dem Tag des Zuschlags (§ 8 Abs. 4 VgV).

Die umfassende Dokumentationspflicht zielt darauf ab, dass sowohl Bieter als auch Nachprüfungsinstanzen die Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers nachvollziehen können und ein effektiver Rechtsschutz für die Bieter gewährleistet wird. Die Dokumentation des Verfahrens muss daher so transparent und verständlich sein, dass auch mit der Sachlage vertraute Dritte (Vergabekammern und Gerichte sowie unterlegene Bieter, ggf. aber auch Förder- und Prüfbehörden, sofern mit öffentlichen Mitteln (teil-)finanzierte Leistungen ausgeschrieben werden) die wesentlichen Entscheidungen des Verfahrens, insbesondere auch die abschließende Vergabeentscheidung zugunsten eines Bieters und zulasten anderer Bieter, nachvollziehen können.

Die Einhaltung der Dokumentationspflichten ist auch bieterschützend, d.h. Bieter können im Einzelfall allein durch die Verletzung der Dokumentationspflichten in ihren vergaberechtlich geschützten Rechten verletzt sein (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.08.2011 − VII-Verg 36/11). Die Verletzung von Dokumentationspflichten kann daher dazu führen, dass die Vergabekammer das Verfahren „in den Stand vor der fehlerhaften Dokumentation“ zurückversetzt, z.B. also die Wertung der Angebote wiederholen lässt. Dies gilt nur ausnahmsweise nicht, wenn dieser Verfahrensverstoß keinen relevanten Nachteil für den betreffenden Bieter hat, z.B. weil dessen Angebot schon aus rein formalen Gründen wegen verspäteter Angebotsabgabe nicht berücksichtigt werden kann.

Öffentliche Auftraggeber sind daher im eigenen Interesse „gut beraten“, Vergabeverfahren zeitnah, vollständig und nachvollziehbar zu dokumentieren. Denn auch im Streitfall vor der Vergabekammer gilt: „Der erste Eindruck zählt“. Die Heilung von Dokumentationsmängeln durch eine „nachgeschobene“ Dokumentation ist zwar nicht ausgeschlossen (BGH, Beschluss v. 08.02.2011, Az. X ZB 47/10), jedoch nur in engen Grenzen zulässig (so OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.01.2014, 15 Verg 10/13). Öffentliche Auftraggeber sollten die Dokumentationspflichten gleichwohl nicht nur als „notwendige, aber lästige Bürokratie“ verstehen. Sie zwingt nämlich zur kritischen Selbstreflexion und kann dadurch helfen, Fehler zu vermeiden.

Anforderungen an die Dokumentation von Vergabeentscheidungen

 Bei der Auswertung von Teilnahmeanträgen oder Angeboten haben öffentliche Auftraggeber häufig gewisse Beurteilungs- und Ermessensspielräume. So steht es beispielsweise bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen (anders als bei der Vergabe von Bauleistungen (vgl. § 16a EU Satz 1 VOB/A) im Ermessen der Auftraggeber, ob fehlende Unterlagen / Erklärungen nachgefordert werden (vgl. § 56 Abs. 2 VgV). Oder sie haben einen Beurteilungsspielraum bei der Bewertung von qualitativen Zuschlagskriterien (z.B. Konzepte). Gerade in diesen Fällen muss der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidungen sehr sorgfältig und detailliert dokumentieren, damit die getroffenen Entscheidungen über den Ausgang des Vergabewettbewerbs im Streitfall nachvollziehbar sind.

Bei Ermessensentscheidungen muss aus der Dokumentation u.a. auch ersichtlich sein, dass der öffentliche Auftraggeber sein Ermessen überhaupt (pflichtgemäß) ausgeübt hat. Möchte der Auftraggeber z.B. von keinem Bieter bei Angebotsabgabe fehlende Erklärungen bzw. Nachweise nachfordern, sollte in der Verfahrensakte zumindest kurz begründet werden, weshalb von einer Nachforderung abgesehen wird (z.B. weil im Übrigen weitere vollständige und wertbare Angebote eingegangen sind). Dies gilt in ähnlicher Weise, wenn ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufheben möchte (vgl. § 63 VgV). Insoweit muss begründet und dokumentiert werden, dass ein Aufhebungsgrund besteht und die Aufhebung des Vergabeverfahrens auch unter Berücksichtigung der Interessen von Bietern, die ein Angebot abgegeben haben, verhältnismäßig ist, d.h. dass keine weniger einschneidende Alternative in Betracht kommt (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 04.12.2013, 15 Verg 9/13).

Der BGH zu den Anforderungen an die Dokumentation qualitativer Zuschlagskriterien

Streitanfällig ist in der Vergaberechtspraxis oftmals auch die Bewertung qualitativer Wertungskriterien. Für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots steht es öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich frei, neben dem Preis oder den Kosten u.a. auch qualitative Zuschlagskriterien zu berücksichtigen (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 VgV). Hinsichtlich einer Vergabe von Postdienstleistungen, die als Zuschlagskriterien [...mehr]

 

 

 

 

Quelle: PUBLICUS

Dr. Beatrice Fabry